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Die Fukushima-Katastrophe > Verharmlosung und dilettantischer Umgang in Fukushima

Beschwichtigen und Herunterspielen

Datei:Fukushima 1 Nuclear Power Plant 27.jpg

Fukushima I, 1999

Um die Bevölkerung zu beruhigen, versuchte die japanische Regierung – ähnlich wie die sowjetische nach Tschernobyl – nach dem GAU konsequent zu verhindern, dass die ganze Wahrheit ans Licht kam.

Bereits am Tag nach der Katastrophe wurde ein Austreten radioaktiver Strahlung geleugnet, und die Medien verbreiteten beschwichtigend, man habe alles unter Kontrolle.[1] Erst zwei Wochen nach der Katastrophe gab TEPCO zu, dass in Reaktor 2 eine um den Faktor 100.000 erhöhte Strahlung gemessen wurde.[2]

Goshi Hosono, Sonderberater von Ministerpräsident Kan, räumte im April 2011 zudem ein: "Japans Regierung redete das Ausmaß der Katastrophe von Fukushima mehrere Wochen lang klein. Offiziell, weil es an genauen Daten mangelte - tatsächlich sollte so Panik vermieden werden."[3]

Im April 2011 wurde Greenpeace verboten, die radioaktive Strahlung vor der Küste zu messen.[4]

Nachdem die Fukushima-Katastrophe zunächst in der Bewertungsskala INES nur in Stufe 5 eingeordnet worden war, wurde sie erst am 12. April 2011 mit der höchsten Stufe 7 klassifiziert.[5]

Ende April 2011 trat der Atomberater Toshiso Kosako wütend zurück, weil sich die japanische Regierung nicht an geltende Gesetze hielt und einen höheren Grenzwert von 20 Millisievert für Strahlenbelastung festsetzte: "Zum Vergleich: Der Wert entspricht der Höchstdosis für einen deutschen Atomkraftwerksmitarbeiter. Zahlreiche Experten hatten sich bereits kritisch zu diesem Grenzwert für die Schüler geäußert. "Das ist viel zu viel", sagt Shaun Burnie, der als unabhängiger Experte für Greenpeace arbeitet, dem SPIEGEL. "Kinder sind doch viel strahlenempfindlicher als Erwachsene." Edmund Lengfelder vom Otto Hug Strahleninstitut beklagte: "Man nimmt damit ganz bewusst zusätzliche Krebsfälle in Kauf. Durch den Grenzwert ist die Regierung juristisch aus dem Schneider - moralisch aber nicht.""[6]

Erst am 24. Mai wurde zugegeben, dass in allen drei aktiven Reaktoren bereits unmittelbar nach dem Erdbeben Kernschmelzen eingesetzt hatten. Greenpeace warf der japanischen Regierung vor, die ganze Zeit gelogen zu haben.[7]

Im Mai 2012 wurde der Betreiber des AKW Fukushima, TEPCO, verstaatlicht. Japan übernahm mehr als 50 % der Stimmrechte. Ohne diese Maßnahme hätte TEPCO Insolvenz anmelden müssen.[8]

Auch im Oktober 2013 wurde die Lage weiterhin verharmlost. Während Millionen von Liter verstrahltes Wasser in den Pazifik gepumpt wurden und Ministerpräsident Abe um internationale Hilfe bat, belog der Tepco-Chef Aizawa die Öffentlichkeit: Auf dem Weltenergiekongress behauptete er, Fukshima sei unter Kontrolle und Atomkraft in Japan sicher.[9]

Im März 2014 beschuldigte die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW die japanische Regierung und TEPCO einer systematischen "Manipulation und Vertuschung". "Die gesundheitlichen Folgen der Reaktorkatastrophe würden von den Behörden systematisch kleingeredet. Die Regierung unterbinde notwendige Untersuchungen, sagte die deutsche IPPNW-Expertin Angelika Claußen am Montag in Berlin. Überdies würden offenbar gezielt Statistiken über Todesfälle manipuliert."[10]

Dilettantischer Umgang mit dem GAU

Datei:NRC Officials visit Fukushima Dai-ichi Complex, Dec. 13, 2012.jpg

NRC Officials, 13.12.2012

In einer vom japanischen Parlament initiierten Untersuchung stellte die Kommission Regierung und Atomlobby ein vernichtendes Zeugnis zum Umgang mit dem Fukushima-GAU aus. Dies bestätigte im Juli 2012 eine von der Regierung eingesetztes Untersuchungsgremium: "Die Atomkatastrophe in Fukushima ist nach Ansicht der japanischen Regierung auch Folge eines "Sicherheitsmythos". Nicht nur das mangelhafte Verhalten des Betreiberkonzerns Tepco sei zu beklagen, auch die Atomaufsicht habe zu sehr auf die Sicherheit von Atomkraft vertraut."[11]

Von einem Fehlverhalten der Regierung und Konsequenzen (Atomausstieg) war aber weiterhin nicht die Rede; anscheinend versuchte die Regierung die Verantwortung von sich wegzuschieben.

Verstrahlung von Arbeitern

Das Ausmaß der Fukushima-Katastrophe hat TEPCO von Anfang an auch vor den Arbeitern verheimlicht. Diese wurden kaum darüber informiert, welche Arbeiten sie am verstrahlten Atomkraftwerk ausführen sollten und welche Risiken damit verbunden waren. Sie erhielten anfangs keine Dosimeter, Schutzkleidung war keine Pflicht, und das Kontrollzentrum, in dem sich die Arbeiter aufhielten, war selbst kontaminiert.[12]

Anstatt Roboter einsetzen, setzten japanische Politiker Hilfskräfte bewusst der ionisierenden Strahlung im zerstörten Atomkraftwerk aus und übten Druck auf diese aus. So soll der japanische Industrieminister Banri Kaieda Feuerwehrleute unter Strafandrohung zum lebensgefährlichen Einsatz geschickt haben.[13]

Im Juli 2012 wurde bekannt, dass Arbeiter ihre Messgeräte manipulieren mussten, um niedrigere Strahlung vorzutäuschen und länger in der Anlage arbeiten zu können.[14]

Nach Informationen von Tepco vom August 2013 wurden nicht nur 178 Arbeiter, wie bislang behauptet, aufgrund der Fukushima-Katastrophe verstrahlt, sondern 1973, also mehr als zehnmal so viele. Dies geht aus einem Zwischenbericht des Bundesumweltministeriums hervor.[15] Zudem sind die Arbeiter unmittelbar nach der Katastrophe im März 2011 stärker verstrahlt worden als angenommen. Laut einem UN-Bericht unterschätzte Tepco die Strahlendosis um 20 %.[16]

Leugnung von Krebserkrankungen

Nach der Fukushima-Katastrophe legte die ICRP, zu deren Mitgliedern auch Repräsentanten der Atomindustrie (Rosatom in Russland, CEA in Frankreich und Energieversorger) zählen, auch die Strahlenschutzwerte für Japan fest. "Das Ergebnis waren noch weit tolerantere Werte, als sie im Frühjahr 1986 in der UdSSR gegolten hatten."[17]

Im Mai 2013 erklärte UNSCEAR, dass die Fukushima-Katastrophe keine Erhöhung der Krebserkrankungen zur Folge haben würden. In Artikeln von "Spiegel Online" und "Süddeutsche.de" wurde dies unkommentiert und kritiklos übernommen und als Referenz die große Anzahl der mitwirkenden Wissenschaftler hervorgehoben.[18][19]

Laut IPPNW-Bericht vom März 2013 sind dagegen bereits jetzt in Fukushima die Folgen der Katastrophe sichtbar: Geburtenrückgang und erhöhte Säuglingssterblichkeit wie nach Tschernobyl sowie Schilddrüsenzysten bzw. -knoten bei 60.000 Kindern in der Präfektur Fukushima. In Japan "ist aufgrund der erhöhten externen Strahlenbelastung mit 37.899 bis 82.606 Krebserkrankungen und aufgrund der kontaminierten Nahrung mit 37.266 Krebserkrankungen zu rechnen".[20]

→ AtomkraftwerkePlag: UNSCEAR und WHO

(Letzte Änderung: 25.10.2014)

Einzelnachweise

  1. Zeit Online: Kein Grund zur Sorge, liebe Bürger vom 23. Dezember 2011
  2. n-tv.de: Die Welt rätselt über Fukushima - IAEA und WHO halten Berichte zurück vom 1. April 2011
  3. derStandard.at: Regierung spielte Strahlung herunter vom 27. April 2011
  4. n-tv.de: Fukushima: Cäsium in Fisch und Spinat - Greenpeace darf nicht messen vom 28. April 2011
  5. n-tv: Katastrophaler Atom-Unfall - Fukushima erreicht höchste Stufe vom 12. April 2011
  6. Spiegel Online: Tränen der Wut - Japans Atomberater wirft Regierung Rechtsbruch vor vom 30. April 2011
  7. Hamburger Abendblatt: Tepco gibt zu: Kernschmelze in drei Fukushima-Reaktoren vom 24. Mai 2011
  8. tagesschau.de: Tepco gehört jetzt Japan vom 9. Mai 2012 via WayBack
  9. Spiegel Online: Tepcos Atomchef Aizawa: Das Gesicht der Katastrophe von Fukushima vom 15. Oktober 2013
  10. Kölner Stadtanzeiger: "Manipulation und Vertuschung" vom 3. März 2014
  11. wallstreet-online.de: Mythos von sicherer Atomkraft schuld an Fukushima vom 23. Juli 2012
  12. Zeit Online: Die Lügen von Tepco vom 7. September 2013
  13. Stuttgarter Zeitung: Unter Androhung von Strafen in das Kraftwerk vom 25. März 2011
  14. n-tv.de: Skandal in Fukushima - Arbeiter mogeln bei Grenzwerten vom 21. Juli 2012
  15. taz.de: Mehr Strahlenopfer als bekannt vom 18. August 2013
  16. Focus Online: Nachwirkungen von Atomkatastrophe - Fukushima-Arbeiter deutlich schlimmer verstrahlt vom 12. Oktober 2013
  17. taz: Wiedersehen in Fukushima vom 15. Dezember 2012
  18. Süddeutsche.de: UN sehen kein erhöhtes Krebsrisiko nach Reaktorunglück vom 31. Mai 2013
  19. Spiegel Online: Atomunfall: Uno sieht keine Krebsgefahr durch Fukushima vom 31. Mai 2013
  20. IPPNW: Gesundheitliche Folgen von Fukushima vom 6. März 2013
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