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Organisationen und Kommissionen > VGB PowerTech e. V.

Fachverband und Lobbyorganisation

Abiball

Der Fachverband VGB wurde am 29. November 1920 als "Vereinigung der Großkesselbesitzer e.V. " in Leuna gegründet. Ursache für die Gründung war eine "folgenschwere Kesselexplosion im Kraftwerk Reissholz/Düsseldorf." 2001 erhielt der Verband wegen seiner stärkeren internationalen Ausrichtung seinen heutigen Namen VGB PowerTech e. V.[1][2]

VGB PowerTech e. V. ist laut eigener Darstellung "der europäische technische Fachverband für die Strom- und Wärmeerzeugung". Der Verein unterstützt Mitgliedsunternehmen, "für die der Kraftwerksbetrieb und die dazugehörige Technik eine wichtige Grundlage ihres unternehmerischen Handelns bilden", bei ihren unternehmerischen Aktivitäten in Hinblick auf Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und anderen Feldern. Er sammelt Know-how, stellt dieses zur Verfügung, identifiziert und organisiert gemeinsame Aktivitäten.[3]

Zugleich vertritt der Verband die Interessen seiner Mitgliedsunternehmen in der Presse und der Politik, weswegen er durchaus als Lobbyorganisation bezeichnet werden kann. Hierbei werden alle Energiequellen, je nach Interessenlage der Mitglieder, mit einbezogen.[4]

Auffällig ist, dass der Hauptausschuss "Kernkraftwerke" als einziges Fachgremium eine eigene Geschäftsordnung besitzt, weswegen er Gemeinschaftsvorhaben finanzieren darf. Jährlich entstehen dabei Kosten von ca. 5 Mio. Euro, die auf die Mitglieder umgelegt werden.[5]

In einer Kleinen Anfrage an den Bundestag und der Antwort der Bundesregierung wurde VGB PowerTech zu den "Vereinigungen der Atomlobby" gezählt. Als staatseigene Mitglieder des Verbands wurden das Karlsruher Institut für Technologie, das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH sowie das Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN), bis Februar 2017 Energiewerke Nord genannt, über die der Verband öffentlich gefördert wird.[6]

Auf der langen Mitgliederliste des Verbands finden sich diverse Konzerne der Atombranche, z. B. E.ON, Électricité de France (EdF), EnBW, RWE, Vattenfall und die Schweizer Atomkraftwerksbetreiber.[7]

Der Atomlobbyist und ehemalige RWE-Vorstand Gerd Jäger im Ressort Kraftwerke war von 2000 bis 2013 Vorstandsvorsitzender des VGB.[8] Er wurde 2013 durch Michael Fübi abgelöst,[9] welcher derzeit außerdem den Vorsitz im Vorstand der TÜV Rheinland AG inne hat und vorher ebenfalls bei RWE tätig war, u. a. als Chief Executive Officer der RWE Technology (Kohlekraftwerke).[10]

Enge Beziehungen bestehen außerdem zu den zwei wichtigsten deutschen Atomlobbyorganisationen:

Im Mai 2015 veröffentlichte VGB PowerTech zusammen mit dem Deutschen Atomforum eine gemeinsame Stellungnahme mit Anmerkungen zum Nationalen Entsorgungsprogramm.[11]Deutsches Atomforum (DAtF)

Bei der Kerntechnische Gesellschaft (KTG) wird VGB PowerTech in einer Liste von Organisationen aufgeführt.[12]Kerntechnische Gesellschaft (KTG)

Atomenergie

Warnung vor Abwanderung und Versorgungslücke

Am 12. Oktober 1999, als der erste Atomausstieg unter Gerhard Schröder bevorstand, drohte VGB PowerTech der Bundesregierung, dass die Energiewirtschaft im Falle politischer Hemmnisse die Stromproduktion ins Ausland verlegen würde. Der Verband beschwerte sich vor allem über "Überregulierung, langwierige Genehmigungsverfahren und vor allem die massive Behinderung der Kernenergie".[13]

Im September 2003 warnte VGB-Manager Karl Theis angesichts des von ihm erwarteten Anstiegs des Stromverbrauchs vor einer "Versorgungslücke", wenn 2025 alle Atomkraftwerke vom Netz wären. "Um diese Energie bereitzustellen, müsste man das Saarland, Berlin, Hamburg und Bremen flächendeckend mit Solarzellen überdachen, mehr als 10000 der größten Windkraftanlagen aufstellen oder alternativ dazu mindestens 60 große Kraftwerke bauen."[14]

In seiner VGB-Eröffnungsrede am 6. Oktober 2004 erklärte RWE-Manager Gerd Jäger, dass die Kraftwerksbetreiber zwar zum Atomausstieg stünden, dass aber der Strombedarf dann nur mit einem Nebeneinander von erneuerbaren und konventionellen Energien (vor allem der Kohle) zu decken sei. Die angestrebte CO2-Reduzierung könne ohne Atomkraft nicht erreicht werden.[15]

Atommüllendlager

2004 stellte VGB PowerTech in ihrer Broschüre "Entsorgung von Kernkraftwerken - Eine technisch gelöste Aufgabe" folgende Behauptungen auf: "Endlager für radioaktive Abfälle sind beispielsweise in Schweden, Finnland, Frankreich, Spanien und USA seit Jahren in Betrieb. Die technische Machbarkeit der Endlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle ist nachgewiesen und in großen Bereichen bereits gängige Praxis."[16]

Dem ist entgegenzuhalten, dass es bislang in keinem Staat der Welt ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll gibt. → Endlager für Atommüll weltweit

Über die Asse wurde Folgendes ausgesagt: "Es wurde nachgewiesen, dass alle Arten von radioaktiven Abfällen in einer Salzformation sicher endgelagert werden können."[16] Wer dies nachgewiesen haben soll, wird nicht angegeben. Mit dem Absaufen der Asse und dem Untersuchungsausschuss ist dieser Nachweis ohnehin ad absurdum geführt worden. → Asse

2011 äußerte sich VGB PowerTech bereits zurückhaltender zu dem Thema Endlagerung: "Die Endlagerung von Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung ist damit weltweit gängige Praxis." Die hochradioaktiven Abfälle wurden damit ausgenommen. "Aber auch für die Endlagerung hochradioaktiver und wärmeentwickelnder Abfälle sind die Techniken bereits entwickelt, auch wenn erst zwei Standorte weltweit dafür konkret realisiert werden, nämlich Östhammar in Schweden und Olkiluoto in Finnland. Die Techniken dazu sind in eigenen Untertagelabors entwickelt und demonstriert worden."[17]

Bundestagswahl 2009/Stellungnahme 2010

Als die Bundestagswahl 2009 bevorstand und die Energiewirtschaft eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bei einer schwarz-gelben Machtübernahme für möglich hielt, arbeitete auch VGB PowerTech auf einen Ausstieg aus dem Atomausstieg hin.

2009 prognostizierte VGB PowerTech in einer Studie, dass in der EU bis 2020 "Kraftwerkskapazitäten von 475.000 MW" errichtet werden müssten, was erneuerbare Energien, fossile und Atomkraftwerke einschließe. "Auch der in mehreren europäischen Ländern angelaufene Neubau von Kernkraftwerken mit insgesamt zehn Blöcken muss umgesetzt werden, ohne dass in Europa Kernkraftwerke vorzeitig stillgelegt werden."[18][19]

In der Stellungnahme "Kraftwerke (KW) 2020+" von 2010 vertrat der Verband ähnliche Ansichten, wobei er die Atomkraft als kostengünstigste und CO2-freie Energiequelle bezeichnete. Die radioaktiven Emissionen seien zu vernachlässigen, radioaktive Abfälle könnten emissionsfrei konditioniert und eine sichere Zwischen- und Endlagerung gewährleistet werden. Neben Atomkraft seien Kohle und Erneuerbare die beiden anderen wichtigen Säulen der Energieversorgung.[20]

Verharmlosung von Fukushima 2013

2013 verharmloste Ludger Mohrbach, Leiter Competence Center Kernkraftwerke bei VGB PowerTech, die Folgen der Fukushima-Katastrophe in einem Artikel, der auf der Internet-Plattform des Deutschen Atomforums zu finden ist. Laut Mohrbach seien keine akuten strahlenbedingten Schäden entstanden, Spätschäden seien wahrscheinlich nicht zu erwarten. Überhaupt habe die Bevölkerung nur geringe Strahlendosen erhalten. Mohrbach behauptete, dass der GAU kein Restrisikoereignis, sondern auf Fahrlässigkeit zurückzuführen sei. Zudem hob er hervor, dass die meisten Staaten mit Atomkraft diese beibehalten bzw. ausbauen wolle, u.a. Japan. Die meisten Regierungen hätten also "besonnen" auf die Katastrophe reagiert.[21]

Kohle

Bis heute tritt VGB PowerTech für die Interessen der Kohleindustrie ein, aus der viele seiner Mitglieder kommen.

2004 entwickelte der Fachverband ein Szenario für den Energiemix im Jahr 2020. Der damalige Vorsitzende, der RWE-Manager und Atomlobbyist Gerd Jäger, ging hierbei von einer gegenseitigen Ergänzung konventioneller und erneuerbarer Energien aus. Selbst wenn erneuerbare Energien 20 % des Bedarfs decken würden, müssten bei einem Atomausstieg, 70 % durch konventionelle Kraftwerke geliefert werden. Die Kohle müsste "allein etwa 50% der zukünftigen Versorgung sichern".[22][23]

Im März 2013 legte die Health- and Environment Alliance (Heal), ein europaweiter Verbund von rund 70 Gesundheits- und Umweltorganisationen aus 20 Ländern,[24] eine Studie vor. In dieser wurde belegt, dass die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke "jährlich 18200 vorzeitige Todesfälle und 8500 neue Fälle von chronischer Bronchitis" und Gesundheitskosten von 42,8 Mrd. Euro jährlich verursache. VGB PowerTech wies dies zurück und stellte eine eigene Studie von 2011 dagegen. "Darin heißt es, es bestünden bei Kohlekraftwerken "keine Hinweise auf spezifische Gesundheitsbeeinträchtigungen der anwohnenden Bevölkerung". Klagen von Bürgerinitiativen über "das gehäufte Auftreten von Krebs- und Atemwegserkrankungen sowie Allergien sind … als nicht plausibel einzustufen".[25] In der ENV-Studie hingegen werden schärfere europäische Richtlinien für Industrieemissionen gefordert, wie es sie in den USA und China bereits seit 2012 gibt.[26]

→ env-health.org: Wie schädigen Kohlekraftwerke unsere Gesundheit? (mit Links zur Studie "Was Kohlestrom wirklich kostet")

Ebenfalls 2013 kam eine durch Greenpeace beauftragte Studie zum Ergebnis, dass der von Kohlekraftwerken freigesetzte Feinstaub "3.000 vorzeitige gesundheitsbedingte Todesfälle pro Jahr" verursache. Dies gelte vor allem für Braunkohlekraftwerke wie diejenigen in der brandenburgischen Lausitz bei Jänschwalde und in Niederaußem in Nordrhein-Westfalen.[27] Allein das Kraftwerk in Bergheim-Niederaußem habe 269 Todesfälle verursacht. Ein Referent der VGB PowerTech verneinte dies und behauptete: "Nur sechs Prozent der Feinstaubemissionen gingen auf Kraftwerke zurück. "Es gibt keinen Hinweis auf gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Kraftwerke"."[28] Den größten Anteil, nämlich 50 %, trüge die Industrie bei.[29] Auch sei vor allem der Feinstaub vom Verkehr und den Heizungen zu beachten.[27]

→ Greenpeace: Tod aus dem Schlot - Wie Kohlekraftwerke unsere Gesundheit ruinieren von 2013

Erneuerbare Energien

Da mehr und mehr Mitglieder der VGB PowerTech aus den Branchen der erneuerbaren Energien kommen oder wegen der Energiewende verstärkt in erneuerbare Energien investieren, leistet der Verband in den letzten Jahren auch Unterstützung in diesem Bereich.

Im April 2014 veröffentlichte VGB PowerTech einen neuen Standard für Windenergie, bei dem ein internationale Kennzeichensystem eingesetzt wird. Dieses "soll Betreiber, Hersteller und Dienstleister bei Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von Windkraftanlagen unterstützen und so den Strom aus Windenergie letztlich günstiger machen."[30]

Im April 2015 wurde gemeldet, dass der Fachverband zusammen mit Unternehmen der Windbranche eine Richtlinie mit dem Titel "RDS-PP® Anwendungsrichtlinie Teil 32: für Windkraftwerke" entwickelt hat; Windenergie soll so "auf einen Nenner" gebracht werden.[31]

Netzstabilität

2014 wies Prof. Harald Weber, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der VGB PowerTech, darauf hin, dass erneuerbare Energien derzeit "eine Störgröße" im "Energieversorgungssystem" darstellen. Sie seien keine Kraftwerke, die Stelleinrichtungen für die Netzstabilität bereitstellten. "Als Lösung des Problems sollen hier die regulatorischen Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass dezentrale Energieanlagen künftig zur Erbringung der Momentanreserve beitragen können." Zusätzlich müssten ausreichend reale Kraftwerke [gemeint sind konventionelle Kraftwerke] im Netz gehalten werden, um die Systemstabilität zu erhalten.[32]

2015 stellte VGB PowerTech Statistiken zu "Ausfallraten der konventionellen Erzeugung" von Strom in Bayern zur Verfügung, die in einer Präsentation des Netzbetreibers Amprion zur "Süd-Ost-Passage" des Netzausbaus verwendet wurden.[33]

Weitere Links

→ VGB: Tätigkeitsbericht 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013
→ VGB: Tätigkeitsbericht 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014
→ presseportal.de: Newsroom VGB PowerTech e.V.
→ Wikipedia: VGB PowerTech

Einzelnachweise

  1. presseportal: Erneuerbare, Kernenergie, Kohle und Gas - Technologien für eine kohlenstoffarme Zukunft vom 22. September 2010 (via WayBack)
  2. VGB: 90 Jahre VGB: Vom Verband der Grosskesselbesitzer zum heutigen VGB PowerTech von 2010
  3. VGB: Über uns - VGB PowerTech
  4. VGB: VGB PowerTech (Homepage) abgerufen am 4. Juni 2015
  5. VGB: Kernkraftwerke abgerufen am 5. Juni 2015
  6. Deutscher Bundestag: Vereinigungen der Atomlobby vom 5. März 2014
  7. VGB: Verzeichnis der ordentlichen, außerordentlichen und fördernden VGB-Mitgliedsunternehmen abgerufen am 5. Juni 2015
  8. Deutscher Bundestag: Ad-hoc-Gruppe "EVU-Klagen" - Vorsitzende abgerufen am 7. Juni 2015
  9. VGB: Dr. Michael Fübi folgt Professor Dr. Gerd Jäger im Vorsitz des VGB PowerTech e.V. vom 30. September 2013
  10. tuv.com: Dr. Michael Fübi wird neuer Vorstandsvorsitzender der TÜV Rheinland AG vom 29. September 2014
  11. kernenergie.de: Gemeinsame Stellungnahme von Deutsches Atomforum e. V. (DAtF), Berlin, VGB PowerTech e. V. (VGB), Essen, zum Entwurf des Nationalen Entsorgungsprogramms vom 6. Januar 2015 vom Mai 2015
  12. ktg.org: Organisationen abgerufen am 1. Juni 2015
  13. abendblatt.de: Atomwirtschaft: Rückzug aus Deutschland? vom 12. Oktober 1999
  14. Focus Online: Energie - Die erneute Kernfrage vom 22. September 2003
  15. VGB: Stromerzeugungsoptionen 2020 vom 6. Oktober 2004
  16. 16,0 16,1 VGB: Entsorgung von Kernkraftwerken - Eine technisch gelöste Aufgabe Stand Oktober 2004, S. 35/40 (via Wayback)
  17. VGB: Entsorgung von Kernkraftwerken - Eine technisch gelöste Aufgabe von 2011, S. 33/44
  18. VGB: VGB-Studie zeigt: In der EU-27 müssen bis 2020 Kraftwerkskapazitäten von 475.000 MW errichtet werden von 2009
  19. ots.at: VGB-Studie zeigt: In der EU-27 müssen bis 2020 Kraftwerkskapazitäten von 475.000 MW errichtet werden von 2009
  20. VGB: Kraftwerke (KW) 2020+ von 2010
  21. kernenergie.de: Fukushima zwei Jahre nach dem Tsunami – Konsequenzen weltweit von 2013
  22. presseportal.de: VGB PowerTech entwickelt Szenario für künftigen Energiemix vom 5. Oktober 2004 (via WayBack)
  23. Verivox: VGB PowerTech: Szenario für künftigen Energiemix vom 6. Oktober 2004
  24. env-health.org: Members abgerufen am 14. Juni 2015
  25. Berliner Zeitung: Kraftwerks-Abgase - Ganz schön viel Kohle vom 13. März 2013
  26. Spiegel Online: Schadstoffstudie: Kohlekraft verursacht Tausende Todesfälle pro Jahr vom 24. April 2013
  27. 27,0 27,1 Deutsches Ärzteblatt: Greenpeace macht Kohlekraftwerke für viele Todesfälle verantwortlich vom 4. April 2013
  28. Rhein-Erft Rundschau: Kritik an Studie "Tod aus dem Schlot" vom 10. Juli 2013
  29. Rhein-Erft Rundschau: Hohngelächter von den Rängen vom 12. Februar 2014
  30. iwr.de: Kennzeichnung bei Windkraft-Anlagen: Fachverband bringt neuen Standard raus vom 2. April 2014
  31. w3.windmesse.de: seebaWIND Service setzt als erstes Unternehmen die REGAS-Software auf Basis des RDS-PP®-Standards ein vom 28. April 2015
  32. VGB: Editorial - VGB PowerTech Journal 4/2014 Erneuerbare und Systemstabilität von 2014
  33. oberpfalzecho.de: Projektsachstand Süd-Ost-Passage vom 5. Mai 2015
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