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Atomenergie in Europa > Ukraine

Reaktoren in Betrieb: 15 • im Bau: 2 • stillgelegt: 4 [1]


Keine Konsequenzen aus Tschernobyl

Panorama of Kyiv from Saint Sophia Monastery 5

Kiew (Ukraine)

Die ehemalige ukrainische Sowjetrepublik war 1957 ein Gründungsmitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO).[2]

Der Einstieg in die Atomkraft begann in sowjetischer Zeit mit dem Bau des ersten Tschernobyl-Reaktors im Jahre 1970, der 1977 in Betrieb genommen wurde. Der atomare GAU von Tschernobyl am 26. April 1986, bei dem auch Teile der Ukraine radioaktiv verstrahlt wurden, löste am 2. August 1990 ein Moratorium für Neubauten in Saporischschja, Khmelnitsky und Riwne aus.[3]

Aber auf die Atompolitik der 1991 unabhängig gewordenen Ukraine hatte der GAU keine grundsätzlichen Auswirkungen. Die weitere Nutzung der Atomkraft wurde nicht in Frage gestellt.

Präsident Poroschenko und seine Regierung wollten laut der "Strategie 2020", die im September 2014 vorgestellt wurde, die Atomkraft eigentlich stärker als andere Energien ausbauen, um von russischen Gaslieferungen und der Kohle aus dem Donbass unabhängiger zu werden.[4] In der neuen Strategie, die am 18. August 2017 vom Kabinett genehmigt wurden, soll jedoch bis 2035 der Anteil der Atomkraft mit 50 % stagnieren. 25 % sollen auf erneuerbare Energien entfallen, 13 % auf Wasserkraft und der Rest auf fossile Brennstoffe. Der Energieverbrauch der ukrainischen Wirtschaft soll bis 2030 um die Hälfte reduziert werden.[5]

Die Ukraine betreibt heute vier Atomkraftwerke mit 15 Druckwasserreaktoren an den Standorten Khmelnitsky, Riwne, Saporischschja und Südukraine, von denen die meisten schon 30 Jahre oder länger laufen. Die aktiven Reaktoren sind alle vom russischen Typ WWER und deckten 2021 53,9 % des ukrainischen Energiebedarfs.[1] An zwei Einheiten, Khmelnitsky-3 und -4, wurde 1986 und 1987 mit Bauarbeiten begonnen, die aber 1990 gestoppt wurden.[6]

Im Januar 2024 wurde berichtet, dass die Ukraine den Standort Khmelnitsky um vier Einheiten erweitern möchte, zwei von sowjetischer Bauart (Typ WWER-1000) und zwei von Westinghouse (Typ AP-1000). Dies "soll den Verlust des AKW Saporischschja kompensieren, welches von russischen Truppen besetzt ist."[7]

Standorte mit aktiven Reaktoren:
Khmelnitsky
Riwne
Südukraine
Saporischschja

Standorte mit stillgelegten Reaktoren:
Tschernobyl

Standorte mit aufgegebenen Reaktoren:
Charkow
Krim
Odessa

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Die Ukraine besitzt drei aktive Forschungsreaktoren; ein weiterer befindet sich im Bau (Stand: 6. Juni 2021).[8] Bis heute wird in der Ukraine Uran gefördert. → Uranabbau in der Ukraine

Förderung neuer Reaktoren durch die EU

Für die Abschaltung der Tschernobyl-Reaktoren verpflichteten sich westliche Geldgeber im Gegenzug, den Bau neuer Atomkraftwerke zu unterstützen: die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) mit 215 Mio. und die Europäische Union mit 585 Mio. US-Dollar.[9] Die Summe von 800 Mio. Euro wurde auch in einer Kleinen Anfrage an den Deutschen Bundestag vom 15. Mai 2012 angegeben.[10]

2013 wurde berichtet, dass sich die EBRD, EURATOM und der ukrainische Atomkonzern Energoatom mit insgesamt 1,4 Mrd. Euro an einem Projekt beteiligen werden, mit dem die ukrainischen AKW an den Sicherheitsstandards der IAEO ausgerichtet werden sollen. [11] Greenpeace kritisierte Ende 2012, dass damit nur längere Laufzeiten für veraltete Reaktoren ermöglicht werden. "Ohne diese Verlängerung müssten 12 der 15 aktiven Reaktoren bis zum Jahr 2020 geschlossen werden."[12]

Nach einem Bericht von Vladimir Kuznetsov, Professor der Arkhangelsk Arctic State University, im Deutschen Bundestag vom März 2014 weisen die russischen und ukrainischen Reaktoren "massive Sicherheitslücken auf und entsprechen nicht den modernen Anforderungen. Die Qualifikation des Personals sei mangelhaft, die Normen für die radioaktive Sicherheit würden immer weiter aufgeweicht und das Problem der Lagerung der abgebrannten Brennstäbe sei bislang ungelöst." Kuznetzov forderte den Bundestag auf, auf eine Abschaltung der Altreaktoren zu dringen.[13]

Verwendung von russischen und amerikanischen Brennelementen

Nach einem Bericht der "taz" vom April 2014 schloss die ukrainische Atomenergiebehörde Energoatom mit dem US-Unternehmen Westinghouse einen Vertrag über die Lieferung von Brennstoff für Atomkraftwerke ab und plante eine engere Zusammenarbeit mit westlichen Konzernen.[14] Auch diese Zusammenarbeit ist nicht ohne Risiko: 2012 soll sich ein gefährlicher Unfall in einem ukrainischen AKW ereignet haben, als sich Westinghouse-Brennstäbe verbogen. "Im Notfall hätten dann Steuerstäbe keine Schnellabschaltung herbeiführen können. Doch Westinghouse dementiert, schuld seien fehlerhafte russische Brennstäbe gewesen."[15]

Sicherheitsbedenken wegen Unruhen und Kämpfen

Während der bürgerkriegsähnlichen Zustände in der Ukraine wurde am 20. Februar 2014 das Atomkraftwerk Riwne angeblich von Protestierenden besetzt. Hauptserver und Aktenarchive im Verwaltungsgebäude sollen angezündet worden sein.[16] Anfang März, als russische Truppen in die Krim eindrangen, ersuchte die Ukraine die NATO u.a., ihre atomaren Anlagen zu schützen.[17][16] Die NATO sandte daraufhin Experten in die Ukraine, um die Sicherheit der Anlagen zu erhöhen.[15]

Nuklearexperten warnten davor, dass die Kämpfe in der Ukraine eine atomare Katastrophe in den Atomkraftwerken auslösen könnten. So ist das Atomkraftwerk Saporischschja unzureichend gegen Beschuss durch schwere Waffen gesichert.[18]

Sorge um Unabhängigkeit der Atomaufsicht

Im Juni 2015 wurde bekannt, dass die Ukraine ein Gesetz plant, mit dem "die Arbeit sämtlicher Behörden und Staatsorgane unter die verschärfte Finanzkontrolle der Regierung" gestellt werden soll. Es gab Befürchtungen, dass damit auch die Unabhängigkeit der ukrainischen Atomaufsicht und die Inspektionen der Atomkraftwerke auf Kosten der Sicherheit eingeschränkt werden könnten.[19]

Weitere Links

→ IAEA: Nuclear Energy of Ukraine - History vom 17. Oktober 2012 (via WayBack)
→ WNA: Nuclear Power in Ukraine

(Letzte Änderung: 13.03.2024)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEA: PRIS - CountryStatistics/Ukraine abgerufen am 6. Juni 2021
  2. IAEO: Member States abgerufen am 6. Juni 2021
  3. IAEA: Country Nuclear Power Profiles/Ukraine abgerufen am 6. Juni 2021
  4. taz.de: Aus Le Monde diplomatique - Gerangel bis zum Super-GAU vom 25. März 2015
  5. word nuclear news: Ukraine to maintain nuclear's share of electricity vom 23. August 2017
  6. WNA: Nuclear Power in Ukraine abgerufen am 6. Juni 2021
  7. n-tv.de: Mit sechs Reaktoren - Ukraine plant größtes Atomkraftwerk Europas vom 29. Januar 2024
  8. IAEO: Research Reactors/Countries: Ukraine abgerufen am 6. Juni 2021
  9. DER SPIEGEL 49/2000: Schlichte Erpressung vom 3. Dezember 2000
  10. Deutscher Bundestag: Im Bundestag notiert: Nachrüstungsprogramm für 15 Reaktoren in der Ukraine vom 15. Mai 2012 (via WayBack)
  11. gtai.de: Internationale Geber finanzieren neue Energieprojekte in der Ukraine vom 30. April 2013 (via WayBack)
  12. oekonews.at: Greenpeace-Protest in Kiew gegen Finanzierung von Schrott-Reaktoren vom 8. Dezember 2012
  13. Deutscher Bundestag: Atomkraftwerke in Russland nicht sicher vom 19. März 2014 (via WayBack)
  14. taz.de: Atomenergie in der Ukraine - Fragiles Land, marode AKWs vom 26. April 2014
  15. 15,0 15,1 tagesschau.de: Wie sicher sind die AKW in der Ukraine? vom 28. Mai 2014
  16. 16,0 16,1 heise.de Ukraine: Droht ein zweites Tschernobyl? vom 3. März 2014
  17. Spiegel Online: Krim-Krise: Ukraine versetzt Militär in Alarmbereitschaft vom 1. März 2014
  18. Spiegel Online: Ukraine-Konflikt: Greenpeace warnt vor Atomunglück durch Kämpfe vom 30. August 2014
  19. tagesschau.de: Ukraine legt Atomaufsicht an die Kette vom 27. Juni 2015
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