Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
| (2 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt) | |||
| Zeile 11: | Zeile 11: | ||
Das nach [[Rheinsberg (Brandenburg)|Rheinsberg]] und [[Greifswald/Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern)|Greifswald/Lubmin]] dritte AKW Stendal in der ehemaligen [[Atompolitik in der ehemaligen DDR|DDR]] wäre mit seinen vier geplanten Reaktoren zu je 1.000 MW Leistung das größte Atomkraftwerk auf deutschem Boden geworden. |
Das nach [[Rheinsberg (Brandenburg)|Rheinsberg]] und [[Greifswald/Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern)|Greifswald/Lubmin]] dritte AKW Stendal in der ehemaligen [[Atompolitik in der ehemaligen DDR|DDR]] wäre mit seinen vier geplanten Reaktoren zu je 1.000 MW Leistung das größte Atomkraftwerk auf deutschem Boden geworden. |
||
| − | Die Anlage auf dem Gebiet des abgerissenen Ortes Niedergörne, |
+ | Die Anlage auf dem Gebiet des abgerissenen Ortes Niedergörne, im Kreis Stendal in Sachsen-Anhalt am linken Elbufer gelegen,<ref name="ycdt_Niedergörne">ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/niederg.htm Das Dorf Niedergörne und das DDR KKW Stendal] (mit Bildern und Dokumenten zu Niedergörne)</ref> wurde jedoch nie fertiggestellt und stellt eine der größten Investitionsruinen Deutschlands dar. |
==Geplante Leistungserhöhung von 440 auf 1.000 MW== |
==Geplante Leistungserhöhung von 440 auf 1.000 MW== |
||
Über den Bau der Anlage hatte der Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Willi Stoph, bereits am 22. März 1965 mit einer sowjetischen Delegation verhandelt, und am 29. März brachte er im Politbüro eine Vorlage dazu ein. Das Konzept ließ man bewusst offen, plante aber eine Errichtung in den Jahren 1979/1980.<ref>Olaf Strauß: [http://www.iaea.org/inis/collection/NCLCollectionStore/_Public/45/012/45012799.pdf Die Kernforschung und Kerntechnologieentwicklung in der DDR 1945–1965] (Diss.) vom Oktober 2011. S. 601f.</ref> |
Über den Bau der Anlage hatte der Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Willi Stoph, bereits am 22. März 1965 mit einer sowjetischen Delegation verhandelt, und am 29. März brachte er im Politbüro eine Vorlage dazu ein. Das Konzept ließ man bewusst offen, plante aber eine Errichtung in den Jahren 1979/1980.<ref>Olaf Strauß: [http://www.iaea.org/inis/collection/NCLCollectionStore/_Public/45/012/45012799.pdf Die Kernforschung und Kerntechnologieentwicklung in der DDR 1945–1965] (Diss.) vom Oktober 2011. S. 601f.</ref> |
||
| − | Konkret ist das Stendal-Projekt auf einen '''Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR''' am 16. April 1970 begründet, ein drittes Atomkraftwerk nördlich von Magdeburg zu bauen. Wegen der dichten Besiedelung der Gegend war der Beschluss schon zu Beginn umstritten. Bei der Wahl des zu wählenden Reaktortyps herrschte zunächst große Unsicherheit. Waren 1970 zunächst zwei, danach vier Reaktoren mit je 1.000 MW Leistung geplant, beschloss der Ministerrat 1973 aufgrund von Lieferschwierigkeiten den Bau von vier Reaktoren mit je 440 MW Leistung. 1976 wurde das ursprüngliche Konzept mit den leistungsstärkeren Reaktoren wiederaufgenommen – auf Anraten der Sowjetunion, die auch den größten Teil der Ausrüstung bereitstellte. Nach dem '''Kernenergieprogramm von 1983''' sollten die Reaktoren 1991, 1993, 1995 und 1997 in Betrieb gehen.<ref>Johannes Abele: [ |
+ | Konkret ist das Stendal-Projekt auf einen '''Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR''' am 16. April 1970 begründet, ein drittes Atomkraftwerk nördlich von Magdeburg zu bauen. Wegen der dichten Besiedelung der Gegend war der Beschluss schon zu Beginn umstritten. Bei der Wahl des zu wählenden Reaktortyps herrschte zunächst große Unsicherheit. Waren 1970 zunächst zwei, danach vier Reaktoren mit je 1.000 MW Leistung geplant, beschloss der Ministerrat 1973 aufgrund von Lieferschwierigkeiten den Bau von vier Reaktoren mit je 440 MW Leistung. 1976 wurde das ursprüngliche Konzept mit den leistungsstärkeren Reaktoren wiederaufgenommen – auf Anraten der Sowjetunion, die auch den größten Teil der Ausrüstung bereitstellte. Nach dem '''Kernenergieprogramm von 1983''' sollten die Reaktoren 1991, 1993, 1995 und 1997 in Betrieb gehen.<ref>Johannes Abele: [https://hait.tu-dresden.de/dok/bst/Heft_26_Abele.pdf Kernkraft in DDR - Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit], in: TU Dresden/Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 26, Dresden 2000. S. 45, 60, 62f.</ref> |
| − | 1971 wurde der "Aufbaustab des KKW III" gegründet, 1974 die Baustelle bei Niedergörne eröffnet. Eine erste offizielle Meldung erschien in der Magdeburger "Volksstimme" vom 1. August 1974.<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/anfang.htm KKW Kernkraftwerk Stendal - Anfang der Baustelle] und [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/chronik-baustelle1.htm Baustellenchronik] abgerufen am 30. Dezember 2012</ref> Wegen der Bauarbeiten wurde Niedergörne abgerissen, die Einwohner wurden umgesiedelt.<ref |
+ | 1971 wurde der "Aufbaustab des KKW III" gegründet, 1974 die Baustelle bei Niedergörne eröffnet. Eine erste offizielle Meldung erschien in der Magdeburger "Volksstimme" vom 1. August 1974.<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/anfang.htm KKW Kernkraftwerk Stendal - Anfang der Baustelle] und [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/chronik-baustelle1.htm Baustellenchronik] abgerufen am 30. Dezember 2012</ref> Wegen der Bauarbeiten wurde Niedergörne abgerissen, die Einwohner wurden umgesiedelt.<ref name="ycdt_Niedergörne"/> |
Hersteller der Einheiten 1 und 2 mit je 1.000 MW Leistung war der VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau,<ref name="BfS_KKW"/> Hersteller der Reaktoren die sowjetische Atomenergo Export.<ref name="ELECNUC"/> Die Bauarbeiten begannen laut IAEO am 1. Dezember 1982 und am 1. Dezember 1984.<ref name="IAEO"/> |
Hersteller der Einheiten 1 und 2 mit je 1.000 MW Leistung war der VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau,<ref name="BfS_KKW"/> Hersteller der Reaktoren die sowjetische Atomenergo Export.<ref name="ELECNUC"/> Die Bauarbeiten begannen laut IAEO am 1. Dezember 1982 und am 1. Dezember 1984.<ref name="IAEO"/> |
||
==Verzögerungen und explodierende Kosten== |
==Verzögerungen und explodierende Kosten== |
||
| − | Ab 1986, nach der Tschernobyl-Katastrophe, kam es zu Protesten von Umweltgruppen gegen das Atomkraftwerk. Der Bau kam nur langsam und unter großen Schwierigkeiten voran. "In den Fundamenten bildeten sich 1987 Risse, der Bau des Maschinenhauses schritt nicht voran, die Schweißtechnologie genügte nicht den Qualitätsanforderungen für das Containment. 1989 fand die Inspektion des Ministeriums die Baustelle in einem völlig verwahrlosten Zustand vor."<ref>Johannes Abele: |
+ | Ab 1986, nach der Tschernobyl-Katastrophe, kam es zu Protesten von Umweltgruppen gegen das Atomkraftwerk. Der Bau kam nur langsam und unter großen Schwierigkeiten voran. "In den Fundamenten bildeten sich 1987 Risse, der Bau des Maschinenhauses schritt nicht voran, die Schweißtechnologie genügte nicht den Qualitätsanforderungen für das Containment. 1989 fand die Inspektion des Ministeriums die Baustelle in einem völlig verwahrlosten Zustand vor."<ref>Johannes Abele: [https://hait.tu-dresden.de/dok/bst/Heft_26_Abele.pdf Kernkraft in DDR - Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit], in: TU Dresden/Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 26, Dresden 2000. S. 65f. und 101</ref> |
Die Kosten für die erste Baustufe (zwei Reaktoren) explodierten: Während diese im Kennziffernkatalog von 1984 mit 11.140 Mrd. Mark angegeben wurden<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/kkw-kennziffern1984_1.pdf Kennziffernkatalog] vom November 1984</ref>, stiegen sie in der Grundsatzentscheidung von 1985/86 auf 15.157 Mrd. Mark und in der Grundsatzentscheidung 1989 auf 20.226 Mrd. Mark.<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/grundsatz-1bs_1989.pdf Grundsatzentscheidung VEB KKW Stendal 1. Baustufe] vom 15. Dezember 1989</ref> |
Die Kosten für die erste Baustufe (zwei Reaktoren) explodierten: Während diese im Kennziffernkatalog von 1984 mit 11.140 Mrd. Mark angegeben wurden<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/kkw-kennziffern1984_1.pdf Kennziffernkatalog] vom November 1984</ref>, stiegen sie in der Grundsatzentscheidung von 1985/86 auf 15.157 Mrd. Mark und in der Grundsatzentscheidung 1989 auf 20.226 Mrd. Mark.<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/grundsatz-1bs_1989.pdf Grundsatzentscheidung VEB KKW Stendal 1. Baustufe] vom 15. Dezember 1989</ref> |
||
| − | 1989 war eine Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik im Rahmen einer Rekonstruktion geplant.<ref>Johannes Abele: [ |
+ | 1989 war eine Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik im Rahmen einer Rekonstruktion geplant.<ref>Johannes Abele: [https://hait.tu-dresden.de/dok/bst/Heft_26_Abele.pdf Kernkraft in DDR - Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit], in: TU Dresden/Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 26, Dresden 2000. S. 71.</ref> |
Noch 1990 wurde am Atomkraftwerk im Auftrag der Treuhandanstalt weitergebaut, es arbeiteten 7.000 Menschen auf der Baustelle. Siemens plante eine Fortführung des Baus. Dass Block A, wie im Artikel behauptet wird, zu 90 bis 95 % fertiggestellt war, dürfte nicht auf Tatsachen beruhen.<ref>mdr.de: [https://web.archive.org/web/20140529141714/http://www.mdr.de/fakt/artikel98338_zc-a03b651e_zs-f147184e.html Das unvollendete Kernkraftwerk] vom 14. Juli 2010 (via WayBack)</ref> So werden in einem Dokument aus dem Archiv des AKW folgende Realisierungsgrade der Bauleistungen genannt: 75 % für Block 1, 30 % für Block 2, 55 % für die Nebenanlagen (Stand 1. Juli 1990).<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/lage_konzept_1990.pdf Lagebericht und vorläufige Konzeption der Geschäftstätigkeit] vom 20. Juli 1990</ref> Der "Spiegel" kritisierte den Weiterbau im Dezember 1990 als Geldverschwendung.<ref>DER SPIEGEL 52/1990: [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13502983.html Absurdes Schauspiel] vom 24. Dezember 1990</ref> |
Noch 1990 wurde am Atomkraftwerk im Auftrag der Treuhandanstalt weitergebaut, es arbeiteten 7.000 Menschen auf der Baustelle. Siemens plante eine Fortführung des Baus. Dass Block A, wie im Artikel behauptet wird, zu 90 bis 95 % fertiggestellt war, dürfte nicht auf Tatsachen beruhen.<ref>mdr.de: [https://web.archive.org/web/20140529141714/http://www.mdr.de/fakt/artikel98338_zc-a03b651e_zs-f147184e.html Das unvollendete Kernkraftwerk] vom 14. Juli 2010 (via WayBack)</ref> So werden in einem Dokument aus dem Archiv des AKW folgende Realisierungsgrade der Bauleistungen genannt: 75 % für Block 1, 30 % für Block 2, 55 % für die Nebenanlagen (Stand 1. Juli 1990).<ref>ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/lage_konzept_1990.pdf Lagebericht und vorläufige Konzeption der Geschäftstätigkeit] vom 20. Juli 1990</ref> Der "Spiegel" kritisierte den Weiterbau im Dezember 1990 als Geldverschwendung.<ref>DER SPIEGEL 52/1990: [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13502983.html Absurdes Schauspiel] vom 24. Dezember 1990</ref> |
||
| Zeile 61: | Zeile 61: | ||
==Links== |
==Links== |
||
→ AtomkraftwerkePlag: [[Atompolitik in der ehemaligen DDR]]<br /> |
→ AtomkraftwerkePlag: [[Atompolitik in der ehemaligen DDR]]<br /> |
||
| − | → ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/index.htm Kernkraftwerk Stendal - gestern - heute – morgen]. Sichtung der Archive des AKW Stendal<br />→ robotrontechnik.de: [http://www.robotrontechnik.de/index.htm?/html/sonderbeitraege/kwstendal.htm Nur unsere Gesichter strahlten: Kernkraftwerk Stendal]<br /> |
+ | → ycdt.de: [http://www.ycdt.de/kkw-stendal/index.htm Kernkraftwerk Stendal - gestern - heute – morgen]. Sichtung der Archive des AKW Stendal<br />→ robotrontechnik.de: [http://www.robotrontechnik.de/index.htm?/html/sonderbeitraege/kwstendal.htm Nur unsere Gesichter strahlten: Kernkraftwerk Stendal]<br /><br /> |
| − | → Wikipedia: [http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Stendal Kernkraftwerk Stendal]<br /><br /> |
||
(Letzte Änderung: {{REVISIONDAY2}}.{{REVISIONMONTH}}.{{REVISIONYEAR}}) |
(Letzte Änderung: {{REVISIONDAY2}}.{{REVISIONMONTH}}.{{REVISIONYEAR}}) |
||
Version vom 11. Januar 2020, 18:55 Uhr
Unvollendete Anlagen > Stendal (Sachsen-Anhalt)
2 Druckwasserreaktoren • Leistung: 970 MW/970 MW • Typ: 2 x WWER 1000/320 •
Hersteller: VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau/Atomenergo Export •
Baubeginn: 1. Dezember 1982/1. Dezember 1984 • Ende Bauarbeiten: 1. März 1991 •
Inbetriebnahme: - •[1][2][3][4] Ende Rückbau: offen
Unvollendetes drittes AKW
AKW Stendal
Das nach Rheinsberg und Greifswald/Lubmin dritte AKW Stendal in der ehemaligen DDR wäre mit seinen vier geplanten Reaktoren zu je 1.000 MW Leistung das größte Atomkraftwerk auf deutschem Boden geworden.
Die Anlage auf dem Gebiet des abgerissenen Ortes Niedergörne, im Kreis Stendal in Sachsen-Anhalt am linken Elbufer gelegen,[5] wurde jedoch nie fertiggestellt und stellt eine der größten Investitionsruinen Deutschlands dar.
Geplante Leistungserhöhung von 440 auf 1.000 MW
Über den Bau der Anlage hatte der Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Willi Stoph, bereits am 22. März 1965 mit einer sowjetischen Delegation verhandelt, und am 29. März brachte er im Politbüro eine Vorlage dazu ein. Das Konzept ließ man bewusst offen, plante aber eine Errichtung in den Jahren 1979/1980.[6]
Konkret ist das Stendal-Projekt auf einen Beschluss des Präsidiums des Ministerrats der DDR am 16. April 1970 begründet, ein drittes Atomkraftwerk nördlich von Magdeburg zu bauen. Wegen der dichten Besiedelung der Gegend war der Beschluss schon zu Beginn umstritten. Bei der Wahl des zu wählenden Reaktortyps herrschte zunächst große Unsicherheit. Waren 1970 zunächst zwei, danach vier Reaktoren mit je 1.000 MW Leistung geplant, beschloss der Ministerrat 1973 aufgrund von Lieferschwierigkeiten den Bau von vier Reaktoren mit je 440 MW Leistung. 1976 wurde das ursprüngliche Konzept mit den leistungsstärkeren Reaktoren wiederaufgenommen – auf Anraten der Sowjetunion, die auch den größten Teil der Ausrüstung bereitstellte. Nach dem Kernenergieprogramm von 1983 sollten die Reaktoren 1991, 1993, 1995 und 1997 in Betrieb gehen.[7]
1971 wurde der "Aufbaustab des KKW III" gegründet, 1974 die Baustelle bei Niedergörne eröffnet. Eine erste offizielle Meldung erschien in der Magdeburger "Volksstimme" vom 1. August 1974.[8] Wegen der Bauarbeiten wurde Niedergörne abgerissen, die Einwohner wurden umgesiedelt.[5]
Hersteller der Einheiten 1 und 2 mit je 1.000 MW Leistung war der VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau,[2] Hersteller der Reaktoren die sowjetische Atomenergo Export.[3] Die Bauarbeiten begannen laut IAEO am 1. Dezember 1982 und am 1. Dezember 1984.[1]
Verzögerungen und explodierende Kosten
Ab 1986, nach der Tschernobyl-Katastrophe, kam es zu Protesten von Umweltgruppen gegen das Atomkraftwerk. Der Bau kam nur langsam und unter großen Schwierigkeiten voran. "In den Fundamenten bildeten sich 1987 Risse, der Bau des Maschinenhauses schritt nicht voran, die Schweißtechnologie genügte nicht den Qualitätsanforderungen für das Containment. 1989 fand die Inspektion des Ministeriums die Baustelle in einem völlig verwahrlosten Zustand vor."[9]
Die Kosten für die erste Baustufe (zwei Reaktoren) explodierten: Während diese im Kennziffernkatalog von 1984 mit 11.140 Mrd. Mark angegeben wurden[10], stiegen sie in der Grundsatzentscheidung von 1985/86 auf 15.157 Mrd. Mark und in der Grundsatzentscheidung 1989 auf 20.226 Mrd. Mark.[11]
1989 war eine Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik im Rahmen einer Rekonstruktion geplant.[12]
Noch 1990 wurde am Atomkraftwerk im Auftrag der Treuhandanstalt weitergebaut, es arbeiteten 7.000 Menschen auf der Baustelle. Siemens plante eine Fortführung des Baus. Dass Block A, wie im Artikel behauptet wird, zu 90 bis 95 % fertiggestellt war, dürfte nicht auf Tatsachen beruhen.[13] So werden in einem Dokument aus dem Archiv des AKW folgende Realisierungsgrade der Bauleistungen genannt: 75 % für Block 1, 30 % für Block 2, 55 % für die Nebenanlagen (Stand 1. Juli 1990).[14] Der "Spiegel" kritisierte den Weiterbau im Dezember 1990 als Geldverschwendung.[15]
Anbei einige Bilder aus dem Jahre 1990:
→ Reaktorgebäude A mit Betriebsgebäude am Block A
→ Kühltürme A1, A2 und B1
→ Inaktive Werkstatt, Zentrale Baustelleneinrichtungen
Aktionsgruppe "Energiewende Stendal" und Demo 1990
Kaum bekannt ist, dass nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 eine kleine Aktionsgruppe mit dem Namen "Energiewende Stendal" gegen den Bau des Atomkraftwerks protestierte. "Mit Plakaten, Flugblättern und anderen friedlichen Aktionen machten sie die Bevölkerung und die Bauarbeiter am KKW auf die Gefahren von Atomkraft aufmerksam. Als Konsequenz wurden sie mehrmals pro Woche von der Stasi verhört, setzten ihren Protest aber fort."[16] 100 Mitarbeiter der Staatssicherheit überwachten die Bauarbeiten permanent, auch wegen der Proteste.[17]
Am 11. März 1990 protestierten rund 6.000 Atomkraftgegner aus beiden deutschen Staaten gegen das AKW. Vermummte durchbrachen den Zaun an der Baustelle und beschädigten Teile der Anlage.[18]
Baustopp und Abriss
Wegen zunehmender Proteste, Sicherheitsdefizite und aus ökonomischen Gründen wurde das AKW nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht mehr realisiert.[19] In die Baumaßnahmen bei Stendal-1 und -2 waren umgerechnet 3,16 Mrd. US-Dollar investiert worden.[20] Nach Schätzungen von 1990 wären für die Fertigstellung der beiden Reaktoren weitere 3,5 bis 4 Mrd. Euro (7-8 Mrd. Deutsche Mark) erforderlich gewesen.[21]
Nachdem bereits im September 1990 ein vorläufiger Baustopp ausgesprochen worden war[22], wurden die Baumaßnahmen am 1. März 1991 offiziell beendet.[1] Da noch keine Brennstäbe installiert wurden, gab es keine Kontamination, und der Abriss konnte konventionell erfolgen.[23] Der erste der 150 Meter hohen Kühltürme wurde 1994, die beiden letzteren wurden 1999 gesprengt.[24]
Derzeit werden die Archive des Atomkraftwerks Stendal gesichtet und Originaldokumente im Internet veröffentlicht. Hier findet man auch Fotografien und Bilder vom Rückbau seit 1992.[25]
Fernsehbeiträge
- "Es war die größte Baustelle Europas. (...) Unglaubliche 18 Mrd. Mark [Anmerkung: gemeint sind Ostmark] stellte die SED-Parteispitze dafür zur Verfügung. (...) Mehr als einhundert Mitarbeiter der Stasi gab es damals im KKW. (...) Viermal 1.000 MW Strom sollte das KKW nach Fertigstellung liefern. Genug, um sieben Millionen DDR-Haushalte ein Jahr lang mit Energie zu versorgen. (...) Doch es gab ein Problem. Direkt an der Elbe, wo die Planer den idealen Standort für das Kraftwerk ausgemacht hatten, befand sich eine Ortschaft, das kleine Dorf Niedergörne. (...) All das änderte sich mit der Wende. 15 Jahre hatte die DDR bis dahin schon am KKW gebaut. 5,8 Mrd. Ostmark waren da schon in das Projekt geflossen. (...) Doch wegen gravierender Sicherheitsbedenken wollten weder die Politik, noch ein westdeutscher Stromkonzern das Projekt zu Ende führen. (...) Und was passierte in Stendal? Mehr als fünfzehntausend Menschen verließen nach dem Ende des KKWs die Stadt."
Quelle: Video
Links
→ AtomkraftwerkePlag: Atompolitik in der ehemaligen DDR
→ ycdt.de: Kernkraftwerk Stendal - gestern - heute – morgen. Sichtung der Archive des AKW Stendal
→ robotrontechnik.de: Nur unsere Gesichter strahlten: Kernkraftwerk Stendal
(Letzte Änderung: 11.01.2020)
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 IAEO PRIS: STENDAL-1 und STENDAL-2 abgerufen am 10. März 2016 (via WayBack)
- ↑ 2,0 2,1 BfS: Kernkraftwerke in Deutschland abgerufen am 12. August 2014 (via WayBack)
- ↑ 3,0 3,1 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
- ↑ ycdt: Kernkraftwerk Stendal - die wechselvolle Geschichte abgerufen am 4. Januar 2015
- ↑ 5,0 5,1 ycdt.de: Das Dorf Niedergörne und das DDR KKW Stendal (mit Bildern und Dokumenten zu Niedergörne)
- ↑ Olaf Strauß: Die Kernforschung und Kerntechnologieentwicklung in der DDR 1945–1965 (Diss.) vom Oktober 2011. S. 601f.
- ↑ Johannes Abele: Kernkraft in DDR - Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit, in: TU Dresden/Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 26, Dresden 2000. S. 45, 60, 62f.
- ↑ ycdt.de: KKW Kernkraftwerk Stendal - Anfang der Baustelle und Baustellenchronik abgerufen am 30. Dezember 2012
- ↑ Johannes Abele: Kernkraft in DDR - Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit, in: TU Dresden/Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 26, Dresden 2000. S. 65f. und 101
- ↑ ycdt.de: Kennziffernkatalog vom November 1984
- ↑ ycdt.de: Grundsatzentscheidung VEB KKW Stendal 1. Baustufe vom 15. Dezember 1989
- ↑ Johannes Abele: Kernkraft in DDR - Zwischen nationaler Industriepolitik und sozialistischer Zusammenarbeit, in: TU Dresden/Hannah-Arendt-Institut, Berichte und Studien Nr. 26, Dresden 2000. S. 71.
- ↑ mdr.de: Das unvollendete Kernkraftwerk vom 14. Juli 2010 (via WayBack)
- ↑ ycdt.de: Lagebericht und vorläufige Konzeption der Geschäftstätigkeit vom 20. Juli 1990
- ↑ DER SPIEGEL 52/1990: Absurdes Schauspiel vom 24. Dezember 1990
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Protest gegen Kernkraftwerk Stendal "Wir hatten einfach nur Angst" vom 10. August 2015
- ↑ Landtag Sachsen-Anhalt: Aus für Kernkraftwerk abgerufen am 19. Februar 2016
- ↑ Berliner Morgenpost: Erste DDR-Demo gegen Atomkraft endet mit Randale vom 10. März 2015 (via WayBack)
- ↑ dipbt.bundestag.de: Unterrichtung durch die Bundesregierung, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/3650, Seite 8 vom 18. August 2004
- ↑ tagesschau.de: Kosten gescheiterter AKW-Projekte - Milliardeninvestitionen ohne Ertrag vom 22. Oktober 2015
- ↑ ycdt.de: Grundstrategie für die Weiterführung des Investitionsvorhabens abgerufen am 27. Juni 2013
- ↑ ycdt.de: KKW Stendal - Vorläufiger Baustop vom 17. September 1990
- ↑ BfS: Übereinkommen über nukleare Sicherheit vom Juli 1998
- ↑ Spiegel Online: Stendal: AKW-Kühltürme gesprengt vom 29. Oktober 1999
- ↑ ycdt.de: Kernkraftwerk Stendal - gestern - heute – morgen abgerufen am 30. Dezember 2012