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SMR seit den 1950er Jahren

Mini_Nuke_Reactors

Mini Nuke Reactors

YouTube, vom 5. August 2011

Die Idee, im Vergleich zu regulären Reaktoren kostengünstigere Mini-Atomkraftwerke – Small Modular Reactors (SMR) – zu betreiben, ist Jahrzehnte alt und wurde in den letzten Jahren vor dem Hintergrund der Klimadiskussion wieder verstärkt aufgegriffen.

Laut Definition der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) fallen unter SMR alle fortschrittlichen Reaktoren, die Elektrizität bis maximal 300 MW je Einheit produzieren.[1]

Erste Minireaktoren bauten die USA und die Sowjetunion bereits in den 1950er Jahren, um in entlegenen Gebieten eine Stromversorgung zu ermöglichen. Technische Grundlage waren Reaktoren in U-Booten.[2] Beispiele für frühe SMR der USA sind der PM-2A in Grönland und der PM-3A in McMurdo in der Antarktis.

Als 2008 die Atomenergie vor einer Renaissance zu stehen schien, plante die deutsche Temme AG den Bau eines drei mal drei Meter großen Atomkraftwerks mit Namen "catchy". Es sollte ohne große Infrastruktur auskommen, nur die Wärme eines zerfallenden radioaktiven Isotops nutzen, im Untergrund vergraben werden und daher besonders sicher sein.[3]

Im November 2008 berichtete der "Spiegel", dass das US-amerikanische Unternehmen Hyperion Power Generation ein Miniatomkraftwerk mit 25 MW elektrischer und 70 MW Wärmeleistung entwickelt habe, das massenhaft verkauft werden sollte. Mit der Produktion sollte 2013 begonnen werden. Nach Angabe des Herstellers wären bei dem mit Uranhydrid betriebenen und mit Kalium gekühlten "Hyperion" Unfälle oder Kernschmelzen ausgeschlossen.[2] Im März 2012 wurde der Prototyp, der "etwa mannshoch und 1,50 Meter breit" war, fertiggestellt.[4]

Im Oktober 2014 veröffentlichte die "Welt" einen Artikel, laut dem die USA 450 Mio. Dollar in Miniatomkraftwerke investiert hätte. Man stieß damit in der Industrie aber auf wenig Gegenliebe, die Probleme bei Finanzierung und Regulierung befürchtete. Während Microsoft-Gründer Bill Gates in eines der Unternehmen, TerraPower, investierte, schlossen sich die französischen Konzerne AREVA und EDF der Initiative nur zögerlich an, da sie lediglich einen kleinen Markt für Minireaktoren sahen.[5] Der ehemalige britische Umweltminister Patersen schlug im gleichen Monat vor, man solle als Maßnahme gegen den Klimawandel in ganz Großbritannien Mini-Atomkraftwerke errichten lassen.[6]

EU-Strategiepapier 2016

Im Entwurf eines Strategiepapiers der Europäischen Union vom Mai 2016 wurde der Bau von Mini-Reaktoren gefordert. Die Befürworter argumentierten, diese Reaktoren seien sicherer, preisgünstiger, schneller gebaut und CO2-arm.[7] Bis 2025 sollten laut diesem Papier erste Konzepte entwickelt werden, bis 2030 erste Minikraftwerke in Betrieb gehen. Die Mini-Kraftwerke mit nur 50 bis 300 MW Leistung werden als Alternative zu milliardenteuren Großkraftwerken angesehen und gelten als Hoffnungsträger der Atomindustrie. Sie sollen in Serie gebaut, in Form von Modulen geliefert und am endgültigen Standort montiert werden. Als Unternehmen, die in SMR investieren, wurden beispielsweise Rolls-Royce In Großbritannien oder NuScale in den USA (→ UAMPS) genannt. Während Länder wie die USA, Großbritannien, Rumänien und Finnland Mini-Reaktoren befürworten, wird deren Rentabilität von Fachleuten angezweifelt. Zudem wird eine Aufweichung von Sicherheitsstandards sowie eine erhöhte Weitergabe spaltbarer Materialien für Atombomben befürchtet. Bislang gibt es SMR nur in U-Booten oder Eisbrechern, nicht aber an Land.[8]

2017 wies der "Deutschlandfunk" in einem sehr ausführlichen Artikel auf Beispiele für SMR hin: den im Bau befindlichen Prototyp  → Carem25 (Argentinien) und das schwimmende Atomkraftwerk Akademik Lomonosov (Russland). Über Pläne des Newcomers NuScale für kompakte SMR mit 50 MW Leistung wurde berichtet, die Dampf für die Erzeugung von Strom oder Wärme für Fabriken liefern und Meerwasser entsalzen könnten, sowie Flüssigsalzreaktoren. Entwickler heben die günstigere Produktion, niedrigere Personalkosten und eine bessere Energieversorgung in Entwicklungs- und Schwellenländern hervor und hoffen auf eine Renaissance der Atomenergie. Kritiker bezweifeln eine höhere Reaktorsicherheit, insbesondere in Hinblick auf Störfälle oder terroristische Attacken.[9]

Seit 2018: Mini-Reaktoren als Klimaschützer

Am 23. Mai 2018 starteten die USA und neun weitere Länder eine Initiative, mit der sie "den Nutzen der Nuklearenergie als eine saubere, zuverlässige Energiequelle hervorheben“ möchten. Hierbei wurde vor allem der Klimaschutz hervorgehoben. Sie kündigten Investitionen in Small Modular Reactors an. Kritiker wiesen auf höhere Gefahren für Atomunfälle, noch mehr Atommüll und die ungelöste Endlagerfrage hin.[10][11]

2019 berichteten auch die "Augsburger Allgemeine" und der "Südkurier" in weitgehend identischen Artikeln über die SMR. Diese würden laut Befürwortern wie Rainer Klute von Nuklearia e.V. zur Erreichung der "Klimaschutzziele" benötigt. Die Pläne von Bill Gates mit seinem Unternehmen TerraPower und das schwimmende Atomkraftwerk Akademik Lomonosov wurden als Beispiele angesprochen.[12][13]

Im Januar 2020 initiierte das kanadische Ministerium für natürliche Ressourcen ein Projekt für Small Nuclear Reaktors. Die Provinzen Ontario, Saskatchewan und New Brunswick schlossen einen Vertrag zu Entwicklung und Bau der Reaktoren. Damit sollen insbesondere auch Kanadas Klimaschutzziele unterstützt werden.[14]

Rolly-Royce: SMR ab 2029?

Rolls-Royce_to_build_mini_nuclear_reactors_in_the_U.K._-_TomoNews

Rolls-Royce to build mini nuclear reactors in the U.K. - TomoNews

Am 24. Januar 2020 berichtete die BBC, dass Rolls-Royce bis 2029 zehn bis 15 SMR installieren möchte. Die SMR sind so klein, dass theoretisch jede Stadt einen derartigen Reaktor besitzen könnte. Sie sollen aber an früheren AKW-Standorten betrieben werden, weil sie dann leichter gegen terroristische Angriffe geschützt werden können. Rolls-Royce hofft, dass Minireaktoren preislich mit erneuerbaren Energien konkurrieren können. Die Meinungen der Umweltschützer sind gespalten: manche sehen Atomkraft als zu gefährlich und zu teuer an, andere glauben, dass eine emissionsfreie Energieerzeugung bis 2050 nur mit dem Einsatz aller Technologien erreicht werden könne.[15]

Über die Pläne wurden auch in deutschen Medien berichtet. Der "Stern" wies darauf hin, dass Rolls-Royce schon seit langer Zeit im Bereich der Energie- und Nukleartechnik tätig ist und mit einem SMR-Exportmarkt in Höhe von 250 Milliarden Pfund spekuliert. Die Reaktoren sollen eine Lebensdauer von 60 Jahren besitzen; jeder soll eine Stadt mit 750.000 Einwohnern mit Strom versorgen können. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Russland und China mobile SMR planen.[16] Weitere Berichte finden sich in der "Handelszeitung" und in "Ingenieur.de"[17][18]

Kritik und Skepsis

Kritische und skeptische Stimmen zum Konzept der Small Modular Reactors lassen sich wie folgt zusammenfassen:[19]

  • SMR basieren nicht auf neuen Technologien, sondern sind verkleinerte und neu gestaltete Versionen konventioneller Leichtwasserreaktoren oder Neuauflagen alter gescheiterter Konzepte (Schnelle Brüter, Hochtemperaturreaktoren, gasgekühlte Reaktoren etc.).
  • Frühere SMR in Russland, den USA und Großbritannien erwiesen sich meist als Fehlschlag und wurden vor langer Zeit stillgelegt.
  • Die Geschichte der SMR und die wenigen aktiven Einheiten deuten nicht darauf hin, dass sich eine signifikante Industrie entwickeln könnte.
  • Die meisten neueren Konzepte sind über das Designstadium nie hinausgekommen.
  • Trotz langer Entwicklungszeit seien die technische Fortschritte gering. Die Entwicklungskosten seien zu hoch, bevor sich eine Serienproduktion entwickeln könne.
  • Die SMR-Programme von Babcock & Wilcox und MidAmerican Energy wurden aufgegeben. Das SMR-Projekt von Westinghouse war ebenfalls nicht erfolgreich, weswegen die Investitionen zurückgefahren wurden.

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) weist darauf hin, dass SMR gegenüber großen Reaktoren "potenziell sicherheitstechnische Vorteile erzielen, da sie ein beispielsweise geringeres radioaktives Inventar pro Reaktor aufweisen. Die hohe Anzahl an Reaktoren, die für die gleiche Produktionsmenge an elektrischer Leistung notwendig ist, erhöht das Risiko jedoch wiederum um ein Vielfaches." Es bestehe außerdem das Risiko, dass Kontaminationen "deutlich über das Anlagengelände hinausreichen." Wegen geringerer elektrischer Leistung würden die Baukosten relativ betrachtet diejenigen von großen Reaktoren übersteigen. Der Einstieg in die Produktion würde sich im Mittel erst ab 3.000 Exemplare lohnen.[20]

Weitere Links

→ IAEO: Small modular reactors
→ WNA: Small Nuclear Power Reactors
→ GRS: Studie zur Sicherheit und zu internationalen Entwicklungen von Small Modular Reactors (SMR) vom Mai 2015 (via WayBack)
→ spectrum.ieee.org: The Forgotten History of Small Nuclear Reactors vom 27. April 2015

(Letzte Änderung: 12.05.2023)

Einzelnachweise

  1. IAEO: Small modular reactors abgerufen am 26. Februar 2023
  2. 2,0 2,1 Spiegel Online: Kraftwerke zum Vergraben: Tausende Mini-Atommeiler sollen Großkraftwerke ersetzen vom 13. November 2008
  3. heise.de: Aus den Augen, aus dem Sinn vom 19. März 2008
  4. Focus Online: Erfindung in den USA - Mini-Atomkraftwerk für den heimischen Garten vom 11. März 2012 (Datum später geändert auf 9. September 2015)
  5. Welt Online: Firmen forschen an unterirdischen Mini-Reaktoren vom 19. April 2014
  6. Focus Online: Strahlende Idee - Umwelt-Politiker will England mit Mini-AKWs zupflastern vom 21. Oktober 2014
  7. ingenieur.de: EU will Atomkraft ausbauen: EU-Staaten sollen Mini-Reaktoren bauen vom 17. Mai 2016
  8. Spiegel Online: Angriff der Atom-Zwerge vom 21. Mai 2016
  9. Deutschlandfunk: Kleine AKWs vom Fließband - Schöne neue Reaktorwelt vom 16. Juli 2017
  10. Reuters: U.S. and partners form international alliance to push nuclear power vom 24. Mai 2018
  11. energiezukunft.eu: Neun Länder gründen neue Atomkraft-Initiative vom 1. Juni 2018
  12. Augsburger Allgemeine: Wie die Kernkraft zum Klimaretter werden soll vom 10. März 2019
  13. Südkurier: Kann Kernkraft unser Klima retten? vom 25. März 2019
  14. heise.de: Mini-Atomkraftwerke gegen den Klimawandel vom 8. Januar 2020
  15. BBC: Rolls-Royce plans mini nuclear reactors by 2029 vom 24. Januar 2020
  16. stern.de: Renaissance der Atomkraft - Rolls Royce will mindestens 15 Mini-Reaktoren bauen vom 28. Januar 2020
  17. Handelszeitung: Das Mini-AKW kommt von Rolls-Royce – ab Fabrik vom 27. Januar 2020
  18. ingenieur.de: Rolls-Royce will Mini-Kernkraftwerke bauen vom 28. Januar 2020
  19. wiseinternational.org: Small modular reactors: an introduction and an obituary vom 7. März 2019
  20. BASE: Small Modular Reactors - Was ist von den neuen Reaktorkonzepten zu erwarten? abgerufen am 12. Mai 2023
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