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Wiederaufarbeitung und Transmutation > Schnelle Brüter

Uran-238 und Plutonium-239

Beloyarsk NNP

Schneller Brüter Beloyarsk (Russland)

Charakteristisch für Schnelle Brüter, die auch schnelle Brutreaktoren genannt werden, ist die Verwendung von Uran-238 als Brutstoff, das durch den Einfang schneller Neutronen über Uran-239 und Neptunium-239 in Plutonium-239 umgewandelt wird. Dieses Plutonium wird im Schnellen Brüter gespalten, wobei es Energie liefert. Es finden also zwei Prozesse gleichzeitig statt: Energiegewinnung durch gespaltenes Plutonium und Erzeugung neuen Plutoniums über Uran-238. Damit die Neutronen nicht abgebremst werden, wird nicht Wasser als Kühlmittel eingesetzt, sondern flüssiges Natrium, welches auf 400 bis 550 Grad Celsius erhitzt ist.[1][2]

Im Schnellen Brüter wird Plutonium immer wieder neu erzeugt. Außerdem kann das Plutonium wiederaufgearbeitet und danach in MOX-Brennelementen in Schnellen Brütern oder in anderen Reaktoren eingesetzt werden. Mit dem Schnellen Brüter glaubte man, einen Brennstoffkreislauf mit immer wieder neu verfügbarem Rohstoff entwickelt zu haben. Als aber mehr und mehr Uran entdeckt wurde, welches günstiger war als wiederaufgearbeitetes Plutonium, und Sicherheitsbedenken aufkamen, gingen nach und nach alle Schnellen Brüter wieder vom Netz.[3] "Der ehedem begehrte Brennstoff Plutonium ist damit nichts als wertloser und hochgefährlicher Strahlenmüll."[4]

Risiken Schneller Brüter

Schnelle Brüter werden sicherheitstechnisch als problematischer als andere Reaktoren angesehen. Das liegt zum einen am Kühlmittel Natrium, welches explosionsartig mit Luft und Wasser reagiert. Viel gefährlicher ist jedoch die hohe Konzentration an Plutonium, welche zu außer Kontrolle geratenen Kettenreaktionen und begrenzten nuklearen Explosionen führen kann. Bei Kühlmittelverlust stabilisiert sich der Schnelle Brüter nicht, sondern erhöht stattdessen seine Leistung. Bei komplettem Ausfall der Kühlung und einem Defekt der Schnellabschaltung kann es zu einem katastrophalen Unfall (GAU) kommen. Soweit nicht ohnehin für die Herstellung von Nuklearwaffen genutzt, birgt der Schnelle Brüter außerdem wegen des Plutoniums die Gefahr militärischen Missbrauchs in sich.[3][5][6]

Die genannten auslegungsbedingten Gefahren werden von Wissenschaftlern wie beispielsweise dem Physiker Helmut Hirsch betont.[7]

Historie

Die bisherigen Erfahrungen mit Schnellen Brütern waren weitgehend von Misserfolgen, Unfällen und finanziellen Verlusten geprägt.

Nach einer Bauzeit von 1949 bis 1951 ging der Experimental Breeder Reactor (EBR-1) in den USA in Betrieb, der aber, wie 1953 berechnet wurde, für jedes verbrauchte Atom nur ein neues Atom erzeugte. Am 29. November 1955 ereignete sich im Reaktor wegen eines Bedienungsfehlers eine teilweise Kernschmelze; der EBR-1 wurde 1964 stillgelegt. → Idaho Falls, USA 1955 und 1961

Der Nachfolger EBR-2 wurde ab 1961 für Material-, Design- und Sicherheitstests genutzt, im Rahmen des US Integral Fast Reactor (IFR) program. Der Brüter wurde 1994 auf Beschluss des Kongresses unter der Regierung Clinton abgeschaltet. Eine weitere Einheit EBR-3 wurde vorgeschlagen, aber nie realisiert.[8]Idaho Falls, USA 1955 und 1961

Mit dem Bau des Schnellen Brüters Enrico Fermi (USA) war 1956 begonnen worden. Wegen explodierender Baukosten und minimaler Leistung führte er zu finanziellen Verlusten. Nach einem Unfall am 5. Oktober 1966 mit einer partiellen Kernschmelze wurde er vier Jahre repariert, erreichte aber auch danach nie seine volle Leistung. Aufgrund fehlender Rentabilität und grundsätzlicher Sicherheitsbedenken wurde er schließlich 1972 abgeschaltet. → Enrico Fermi (USA)

1971 wurde vom damaligen US-Präsidenten Nixon der geplante Schnelle Brüter Clinch River zum höchsten Forschungs- und Entwicklungsprojekt der USA erklärt. Aufgrund von Proliferationsrisiken, einer Kostenexplosion von 400 Mio. auf bis zu 11 Mrd. US-Dollar und Zweifel an der Sinnhaftigkeit wurde das Projekt 1977 vorläufig und 1983 endgültig verworfen. → Clinch River (USA)

Auch Großbritannien stieg früh in die Brütertechnologie ein. Am Atomzentrum → Dounreay (Großbritannien) betrieb das Königreich die Schnellen Brüter DFR (1959 bis 1977) und PFR (1974 bis 1994). 1977 ereignete sich eine schwere Explosion, nachdem Natrium und Kalium in einen Schacht herabgelassen wurden und mit Wasser reagierten. Der Vorfall wurde verheimlicht, bis 1983 radioaktive Partikel am Küstenvorland entdeckt wurden.[9] Die Umgebung des Standorts ist irreparabel radioaktiv verseucht. 1981 aufgegeben wurde der geplante Schnelle Brüter Commercial Demonstration Fast Reactor (CDFR), der 1.320 MW Leistung besitzen und mit Mischoxiden (MOX) betrieben werden sollte.[10][11]

In den 1950er Jahren war es in den USA zu einer regelrechten Brütereuphorie gekommen, die später auf Frankreich und Deutschland übergegriffen hatte. 1966 glaubte Deutschland, in einem internationalen Wettlauf um die Entwicklung der Brütertechnologie zu stehen. Deutschland und Frankreich lieferten sich mit den Versuchsanlagen "Schnelle Nullenergie-Anordnung" in Karlsruhe und dem Pendant MASURCA in Cadarache ein regelrechtes Wettrennen. Beide Anlagen wurden etwa gleichzeitig in der Nacht vom 15. zum 16. Dezember 1966 in Betrieb genommen.[12]

Mit der "Kompakten Natriumgekühlten Kernreaktoranlage Karlsruhe" (KNK) wurde 1971 in Deutschland ein Reaktor in Betrieb genommen, der als Prototyp für den geplanten Schnellen Brüter von Kalkar fungierte. Nachdem die Einheit in Kalkar, die Milliardenkosten verursacht hatte, jedoch wegen politischer und sicherheitstechnischer Bedenken 1991 aufgegeben wurde, wurde auch die KNK Karlsruhe im gleichen Jahr vom Netz genommen. → KNK Karlsruhe (Baden-Württemberg)Kalkar (Nordrhein-Westfalen)

Frankreich betrieb drei Schnelle Brüter: ab 1967 den Testreaktor Rhapsodie, von 1973 bis 2010 den Prototyp Phénix mit 142 MW und von 1985 bis 1998 den Schnellen Brüter Superphénix mit 1.242 MW Leistung.[13] In Phénix häuften sich die Störfälle, insbesondere gefährliche spontane Leistungsschwankungen und Natriumlecks. Superphénix erwies sich als ein unrentables Milliardengrab, da zum einen genug günstiges Uran zur Verfügung stand und zum anderen wegen der schnellen Neutronen, der Hitze im Kern und des explosiven Kühlmittels Natrium immer aufwändigere und teurere Sicherheitssysteme notwendig wurden. Genaueres auf den Seiten → Phénix und → Superphénix/Creys-Malville

Am Schnellen Brüter bei Aktau in Kasachstan, der 1973 ans Netz ging, ereignete sich 1975 ein zweistündiger Reaktorbrand, weil Natrium mit Wasser in Berührung gekommen war. Wegen technischer und finanzieller Probleme wurde er 1999 stillgelegt. → Kasachstan

In Japan wurde der Schnelle Brüter Monju bereits ein Jahr nach seiner Inbetriebnahme wegen eines schweren Störfalls 1995 wieder vom Netz genommen. Natrium war ausgelaufen, in Brand geraten und hatte große Teile des Reaktorgebäudes zerstört. Alle weiteren Versuche, Monju noch einmal zum Laufen zu bringen, sind bisher gescheitert. Der Reaktor hat seit zwanzig Jahren eine Stunde lang Strom geliefert. → Monju (Japan)

Russland, China, Indien und Generation-IV-Reaktoren

Derzeit sind weltweit nur wenige Schnelle Brüter in Betrieb: → Beloyarsk-3 und -4 in Russland und der → CEFR in China; für beide Standorte sind neue Schnelle Brüter geplant. In Indien, das seit 1985 bereits den Forschungsbrutreaktor FBTR bei Kalpakkam (Madras) mit 40 MW betreibt,[14] befindet sich seit 2004 der thoriumbasierte Schnelle Brüter → PFBR bei Madras mit 500 MW in Bau, dessen Inbetriebnahme 2009 erfolgen sollte. Der PFBR war auch 2022 noch nicht fertiggestellt.

Obwohl die meisten Schnellen Brüter finanzielle und technische Misserfolge waren, wird weiter an ihnen geforscht. So finden sich unter den Visionen für Reaktoren der Generation IV auch gasgekühlte, natriumgekühlte und bleigekühlte Schnelle Brüter, mit denen eine neue Ära der Atomkraft gestartet werden soll. → Generation IV International Forum (GIF)

Weitere Links

→ WNA: Fast Neutron Reactors (Ausführlicher Beitrag der Lobbyorganisation World Nuclear Association (WNA) zum Thema Brüter)

(Letzte Änderung: 05.03.2023)

Einzelnachweise

  1. welt der physik: Was brütet beim Schnellen Brüter? vom 25. August 2008 (via WayBack)
  2. kernenergie.de: Kernenergie Basiswissen (S. 54) vom November 2013
  3. 3,0 3,1 Zeit Online: Das Weltgifterbe von 2013
  4. DER SPIEGEL 6/1997: Phönix in der Asche vom 2. Februar 1997
  5. umweltlexikon-online.de: Schneller Brüter abgerufen am 12. August 2013 (via WayBack)
  6. energie-lexikon.info: Brutreaktor abgerufen am 1. März 2023
  7. Deutsche Welle: "Bei jedem Reaktortyp besteht die Möglichkeit eines katastrophalen Unfalls" vom 9. April 2006
  8. world nuclear news: USA's Experimental Breeder Reactor-II now permanently entombed vom 1. Juli 2015
  9. Zeit Online: Erforscht und erfunden vom 7. Juli 1995 (via WayBack)
  10. IAEO PRIS: CDFR abgerufen am 4. Juni 2011
  11. books.google.de: Fast Breeder Reactors (S.30) von 1981
  12. Joachim Radkau & Lothar Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft. oekom, München 2013. S. 52f., 112 und 147.
  13. IAEO PRIS: Country Statistics/France abgerufen am 1. März 2023
  14. IAEO: Reasearch Reactors/FBTR abgerufen am 1. März 2023 (in der Suche "FBTR" eingeben)
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