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[[Weitere schwere Atomunfälle]] > Lucens, Schweiz 1969<br /><br />
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{{Box|Text = 21. Januar 1969 • Überhitzung, teilweise Kernschmelze,<br />Freisetzung radioaktiver Substanzen und Gase • [http://de.atomkraftwerkeplag.wikia.com/wiki/Atomunf%C3%A4lle_allgemein#Klassifizierung_von_Atomunf.C3.A4llen_und_St.C3.B6rungen INES]-Stufe 5 (Ernster Unfall)<ref>www-pub.iaea.org [http://www-pub.iaea.org/iaeameetings/IEM4/30Jan/Negin.pdf Challenges for Removal of Damaged Fuel and Debris] vom 1. Februar 2013</ref>}}<br />
 
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Gasgekühlter, schwerwassermoderierter Reaktor • Leistung: 7 MW • Typ: HWGCR: 2-loops •<br />
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Baubeginn: 1. April 1962 • Inbetriebnahme: 29. Dezember 1966 • <br />
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Betriebsende nach partieller Kernschmelze und Explosion: 21. Januar 1969 •<ref name="IAEO">IAEO PRIS: [https://pris.iaea.org/PRIS/CountryStatistics/CountryDetails.aspx?current=CH Switzerland] abgerufen am 23. August 2021</ref> [[Atomunfälle - Klassifizierung und Übersicht|INES]]-Stufe 5 (Ernster Unfall)<ref>www-pub.iaea.org: [http://www-pub.iaea.org/iaeameetings/IEM4/30Jan/Negin.pdf Challenges for Removal of Damaged Fuel and Debris] vom 1. Februar 2013</ref>}}
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==Unterirdische Atomkraftwerke==
 
==Unterirdische Atomkraftwerke==
[[Datei:Château_de_Lucens_et_le_bourg.jpg|thumb|250px|Lucens, Schweiz]]
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[[Datei:Château_de_Lucens_et_le_bourg.jpg|thumb|270px|Lucens (Schweiz)]]
Seit Beginn der Atomkraftära war immer wieder international die Möglichkeit diskutiert worden, Atomkraftwerke unterirdisch zu errichten, um eine höhere Sicherheit vor Strahlung an der Oberfläche zu gewährleisten. Dem wurde entgegengehalten, dass bei Atomunfällen eine radioaktive Verseuchung des Grundwassers drohe. In den 70er Jahren geriet die Diskussion in Vergessenheit.<ref>Joachim Radkau & Lothar Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft. oekom, München 2013, S. 272.</ref>
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Seit Beginn der Atomkraftära war immer wieder international die Möglichkeit diskutiert worden, Atomkraftwerke unterirdisch zu errichten, um eine höhere Sicherheit vor Strahlung an der Oberfläche zu gewährleisten. Dem wurde entgegengehalten, dass bei Atomunfällen eine radioaktive Verseuchung des Grundwassers drohe.<ref>Joachim Radkau & Lothar Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft. oekom, München 2013, S. 272.</ref>
   
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Mit dem Bau des Stollens für den Versuchsreaktor Lucens, einer Schweizer Eigenentwicklung, wurde 1962 begonnen; beteiligt waren u. a. die Unternehmen Sulzer und die Brown Bovery (BBC).<ref>tagesanzeiger.ch: [http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/technik/Als-es-im-Schweizer-AKW-zur-Kernschmelze-kam/story/15426649 Als es im Schweizer AKW zur Kernschmelze kam] vom 18. Januar 2014</ref>
Erfahrungen mit dieser vermeintlich höheren Sicherheit konnte man 1969 sammeln, als sich im unterirdischen Versuchreaktor in Lucens, einer Schweizer Eigenentwicklung, ein gefährlicher Unfall ereignete.
 
   
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Der Reaktor trug die Bezeichnung "Versuchsatomkraftwerk Lucens (VAKL)"<ref name="TagesAnzeiger_2010_01_21">TagesAnzeiger: [https://web.archive.org/web/20100123010127/http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/geschichte/-41-Jahren-Kernschmelze-in-Schweizer-Reaktor/story/10879035 ... 41 Jahren: Kernschmelze in Schweizer Reaktor] vom 21. Januar 2010 (via WayBack)</ref> Eigentümer war die Nationale Gesellschaft zur Förderung der industriellen Atomtechnik, Betreiber die Energie de l'Ouest Suisse.<ref name="IAEO"/> 1966 wurde der Reaktor kritisch, 1968 wurde zum ersten Mal Strom ins Netz eingespeist.<ref name="Berner_Zeitung_2011_01_15">Berner Zeitung [http://www.bernerzeitung.ch/region/Der-vergessene-Schweizer-GAU---/story/11500142 Der vergessene Schweizer GAU] vom 15. Januar 2011</ref>
==Explosion nach Wiederinbetriebnahme==
 
Der Reaktor mit der Bezeichnung "Versuchsatomkraftwerk Lucens (VAKL)"<ref name="TagesAnzeiger_2010_01_21">TagesAnzeiger: [http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/geschichte/-41-Jahren-Kernschmelze-in-Schweizer-Reaktor/story/10879035 ... 41 Jahren: Kernschmelze in Schweizer Reaktor] vom 21. Januar 2010</ref> vom Typ Exp GCHWR hatte lediglich acht MW Leistung.<ref>WNA: [http://www.world-nuclear.org/info/Nuclear-Fuel-Cycle/Nuclear-Wastes/Decommissioning-Nuclear-Facilities/ Decommissioning Nuclear Facilities - Reasons for shutdown] abgerufen am 8. Dezember 2013</ref> Mit dem Bau war 1962 begonnen worden. 1966 fand zum ersten Mal eine Kettenreaktion statt, 1968 wurde zum ersten Mal Strom ins Netz eingespeist.
 
Schon 1969 wurde der Reaktor wieder abgeschaltet. Die Wiederinbetriebnahme am 21. Januar 1969 begann mit einem Schock: Ein Alarm und 38 Fehler-Signale wurden ausgelöst.<ref name="Berner_Zeitung_2011_01_15">Berner Zeitung [http://www.bernerzeitung.ch/region/Der-vergessene-Schweizer-GAU---/story/11500142 Der vergessene Schweizer GAU] vom 15. Januar 2011</ref>
 
   
 
==Explosion nach Wiederhochfahren==
Was war geschehen? Während der Abschaltungsphase "lief externes Wasser über eine defekte Gebläse-Dichtung in den Kühlkreis des Reaktors. Die aus Magnesium bestehenden Brennstab-Umhüllungsrohre korrodierten. Als der Reaktor im Januar 1969 wieder in Betrieb genommen wurde, behinderten die Korrosionsprodukte die Kühlung. Der Brennstoff überhitzte und mehrere Brennstäbe schmolzen. Ein ganzes Bündel Brennstäbe geriet in Brand und brachte den Moderatortank zum Bersten. Kohlendioxid (Kühlmittel) und schweres Wasser (Moderator) traten in die Reaktorkaverne aus." Im Reaktor wurden infolge der Explosion des Moderatortanks größere Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt, und radioaktive Gase entwichen ins Freie. Glücklicherweise konnte der Versuchsreaktor rechtzeitig evakuiert werden. Die Taverne mit radioaktivem Material wurde zunächst versiegelt. Die Aufräumarbeiten begannen erst Jahre später und dauerten bis 1973. Dabei wurden die Trümmer erst in versiegelten Behältern auf dem Gelände zwischengelagert und 2003 ins zentrale Zwischenlager in Würenlingen (ZWILAG) überführt.<ref name="TagesAnzeiger_2010_01_21"/>
 
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Das Hochfahren des Reaktors am 21. Januar 1969 begann mit einem Schock: Alarme und 38 Fehler-Signale wurden ausgelöst.<ref name="Berner_Zeitung_2011_01_15"/>
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Was war geschehen? Während einer Abschaltungsphase "lief externes Wasser über eine defekte Gebläse-Dichtung in den Kühlkreis des Reaktors. Die aus Magnesium bestehenden Brennstab-Umhüllungsrohre korrodierten. Als der Reaktor im Januar 1969 wieder in Betrieb genommen wurde, behinderten die Korrosionsprodukte die Kühlung. Der Brennstoff überhitzte und mehrere Brennstäbe schmolzen. Ein ganzes Bündel Brennstäbe geriet in Brand und brachte den Moderatortank zum Bersten. Kohlendioxid (Kühlmittel) und schweres Wasser (Moderator) traten in die Reaktorkaverne aus." Im Reaktor wurden infolge der Explosion des Moderatortanks größere Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt, und radioaktive Gase entwichen ins Freie. Glücklicherweise konnte der Versuchsreaktor rechtzeitig evakuiert werden. Die Taverne mit radioaktivem Material wurde zunächst versiegelt. Die Aufräumarbeiten begannen erst Jahre später und dauerten bis 1973. Dabei wurden die Trümmer erst in versiegelten Behältern auf dem Gelände zwischengelagert und 2003 ins zentrale Zwischenlager in Würenlingen (ZWILAG) überführt.<ref name="TagesAnzeiger_2010_01_21"/>
   
 
==Radioaktive Stoffe in Entwässerungsanlagen==
 
==Radioaktive Stoffe in Entwässerungsanlagen==
Obwohl der Reaktor so gut wie möglich dekontaminiert wurde, enthält er bis heute radioaktive Substanzen. "Gemäss seinem Auftrag führt das BAG in den Entwässerungsanlagen (...) seit 1995 regelmässig Messungen durch (...). Gemessen werden Cäsium 137Cs und 134Cs, sowie das Cobaltisotop 60Co, Tritium-3H und Strontium 90. Zwischen 2001 und 2010 wurde in den Wasserproben durchschnittlich eine Tritiumkonzentration von 15 Bq/L gemessen." Seite Ende 2011 wurde eine deutlich erhöhte Tritiumkonzentration von bis zu 230 Bq/L festgestellt, die aber noch deutlich unter dem Grenzwert der Strahlenschutzverordnung von 12‘000 Bq/L liegt.<ref>Schweizerische Eidgenossenschaft [http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=44057 Ehemalige Reaktorversuchsanlage Lucens: Tritiumwert in Entwässerungsanlage erhöht] vom 4. April 2012</ref>
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Obwohl der Reaktor so gut wie möglich dekontaminiert wurde, enthält er bis heute radioaktive Substanzen. "Gemäss seinem Auftrag führt das BAG in den Entwässerungsanlagen (...) seit 1995 regelmässig Messungen durch (...). Gemessen werden Cäsium 137Cs und 134Cs, sowie das Cobaltisotop 60Co, Tritium-3H und Strontium 90. Zwischen 2001 und 2010 wurde in den Wasserproben durchschnittlich eine Tritiumkonzentration von 15 Bq/L gemessen." Seite Ende 2011 wurde eine deutlich erhöhte [[Radioaktive Substanzen#Tritium|Tritiumkonzentration]] von bis zu 230 Bq/L festgestellt, die aber noch unter dem Grenzwert der Strahlenschutzverordnung von 12‘000 Bq/L liegt.<ref>Schweizerische Eidgenossenschaft [http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=44057 Ehemalige Reaktorversuchsanlage Lucens: Tritiumwert in Entwässerungsanlage erhöht] vom 4. April 2012</ref>
   
Hinzuzufügen bleibt, dass die Schweiz, nachdem die Eigenentwicklung in Lucens zubetoniert und stilllgelegt worden war, auch ihre Pläne für Atomkraftwerke "Made in Switzerland" begrub.<ref name="Berner_Zeitung_2011_01_15"/><br />
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Hinzuzufügen bleibt, dass die Schweiz, nachdem die Eigenentwicklung in Lucens zubetoniert und stillgelegt worden war, auch ihre Pläne für Atomkraftwerke "Made in Switzerland" begrub.<ref name="Berner_Zeitung_2011_01_15"/> Die "Neue Zürcher Zeitung" diskutierte am 6. Juli 1969 die Frage, ob es sich bei dem mit Natururan betriebenen Schwerwasserreaktor nicht doch um eine "kolossale Fehlinvestition" gehandelt habe. Das ursprüngliche Budget für die Baukosten von 59,5 Mio. Franken verdoppelte sich 1966 fast auf 100 Mio. Franken. Obwohl schon 1965 Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Versuchsatomkraftwerks geäußert worden waren, wurde es doch fertiggebaut.<ref>NZZ: [http://static.nzz.ch/files/2/2/4/Wahrheit_1.18214224.pdf Die Stunde der Wahrheit in Lucens] vom 6. Juli 1969</ref><br />
   
 
==Fernsehbeitrag==
 
==Fernsehbeitrag==
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'''Lucens - '''Von der Planung, bis zur Kernschmelze und die Situation heute:
 
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|Überschrift = Kernschmelze in der Schweiz: Der eigene Atomreaktor Lucens 1969
 
 
|Text = Von der Planung, bis zur Kernschmelze und die Situation heute.
[[Datei:Schweiz. Der eigene Atomreaktor part 2|thumb|left|250px|3sat, hochgeladen auf YouTube am 16.02.2009, Teil 2/4]][[Datei:Schweiz. Der eigene Atomreaktor part 3|thumb|right|250 px|Teil 3/4]]<br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />[[Datei:Schweiz. Der eigene Atomreaktor part 4|thumb|left|250px|Teil 4/4]]<br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br /><br />
 
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|Videoname = Kernschmelze in der Schweiz Der eigene Atomreaktor Lucens 1969
 
'''Weitere Links:'''<br />
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|Untertitel = 3sat, hochgeladen am 13. Juni 2013 auf YouTube}}'''Weitere Links:'''<br />
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→ ENSI: [http://www.ensi.ch/de/dossiers/versuchsatomkraftwerk-lucens/ Versuchsatomkraftwerk Lucens]<br />
*Wikipedia: [https://de.wikipedia.org/wiki/Reaktor_Lucens Reaktor Lucens]
 
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→ Welt Online: [https://www.welt.de/geschichte/article187314342/Atom-Unfall-Als-die-Schweiz-knapp-einem-Super-GAU-entging.html Als die Schweiz knapp einem Super-GAU entging] vom Januar 2019<br />
*Berliner Zeitung: [http://www.berliner-zeitung.de/archiv/vor-42-jahren-kam-es-in-einem-reaktor-nahe-dem-staedtchen-lucens-zu-einer-kernschmelze--kaum-noch-jemand-erinnert-sich-daran-der-vergessene-schweizer-gau,10810590,10777420.html Der vergessene Schweizer GAU] vom 19. März 2011
 
*SRF: [http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2010/11/17/Schweiz/Atom-Technik-in-der-Schweiz-begann-mit-einem-GAU Atom-Technik in der Schweiz begann mit einem GAU] vom 17. November 2010, mit Videos
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SRF: [http://www.srf.ch/news/schweiz/vor-45-jahren-der-schlimmste-atomunfall-der-schweiz Vor 45 Jahren: Der schlimmste Atomunfall der Schweiz ] vom 21. Januar 2014, mit Videos<br />
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→ NZZ: [http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/der-vergessene-atomunfall-von-lucens-1.18215229 Der vergessene Atomunfall von Lucens] vom 6. Januar 2014<br />
*AtomkraftwerkePlag: [[Schweiz]]
 
 
Berliner Zeitung: [http://www.berliner-zeitung.de/archiv/vor-42-jahren-kam-es-in-einem-reaktor-nahe-dem-staedtchen-lucens-zu-einer-kernschmelze--kaum-noch-jemand-erinnert-sich-daran-der-vergessene-schweizer-gau,10810590,10777420.html Der vergessene Schweizer GAU] vom 19. März 2011<br />
 
AtomkraftwerkePlag: [[Schweiz]]
   
   
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[[Kategorie:Europa]]
 
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[[Kategorie:Atomanlagen (stillgelegt)]]

Version vom 23. August 2021, 16:46 Uhr

Atomenergie in Europa > Schweiz > Lucens, Schweiz 1969
Weitere Atomunfälle und Störfälle > Lucens, Schweiz 1969

Gasgekühlter, schwerwassermoderierter Reaktor • Leistung: 7 MW • Typ: HWGCR: 2-loops •
Baubeginn: 1. April 1962 • Inbetriebnahme: 29. Dezember 1966 •
Betriebsende nach partieller Kernschmelze und Explosion: 21. Januar 1969 •[1] INES-Stufe 5 (Ernster Unfall)[2]


Unterirdische Atomkraftwerke

Château de Lucens et le bourg

Lucens (Schweiz)

Seit Beginn der Atomkraftära war immer wieder international die Möglichkeit diskutiert worden, Atomkraftwerke unterirdisch zu errichten, um eine höhere Sicherheit vor Strahlung an der Oberfläche zu gewährleisten. Dem wurde entgegengehalten, dass bei Atomunfällen eine radioaktive Verseuchung des Grundwassers drohe.[3]

Mit dem Bau des Stollens für den Versuchsreaktor Lucens, einer Schweizer Eigenentwicklung, wurde 1962 begonnen; beteiligt waren u. a. die Unternehmen Sulzer und die Brown Bovery (BBC).[4]

Der Reaktor trug die Bezeichnung "Versuchsatomkraftwerk Lucens (VAKL)"[5] Eigentümer war die Nationale Gesellschaft zur Förderung der industriellen Atomtechnik, Betreiber die Energie de l'Ouest Suisse.[1] 1966 wurde der Reaktor kritisch, 1968 wurde zum ersten Mal Strom ins Netz eingespeist.[6]

Explosion nach Wiederhochfahren

Das Hochfahren des Reaktors am 21. Januar 1969 begann mit einem Schock: Alarme und 38 Fehler-Signale wurden ausgelöst.[6]

Was war geschehen? Während einer Abschaltungsphase "lief externes Wasser über eine defekte Gebläse-Dichtung in den Kühlkreis des Reaktors. Die aus Magnesium bestehenden Brennstab-Umhüllungsrohre korrodierten. Als der Reaktor im Januar 1969 wieder in Betrieb genommen wurde, behinderten die Korrosionsprodukte die Kühlung. Der Brennstoff überhitzte und mehrere Brennstäbe schmolzen. Ein ganzes Bündel Brennstäbe geriet in Brand und brachte den Moderatortank zum Bersten. Kohlendioxid (Kühlmittel) und schweres Wasser (Moderator) traten in die Reaktorkaverne aus." Im Reaktor wurden infolge der Explosion des Moderatortanks größere Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt, und radioaktive Gase entwichen ins Freie. Glücklicherweise konnte der Versuchsreaktor rechtzeitig evakuiert werden. Die Taverne mit radioaktivem Material wurde zunächst versiegelt. Die Aufräumarbeiten begannen erst Jahre später und dauerten bis 1973. Dabei wurden die Trümmer erst in versiegelten Behältern auf dem Gelände zwischengelagert und 2003 ins zentrale Zwischenlager in Würenlingen (ZWILAG) überführt.[5]

Radioaktive Stoffe in Entwässerungsanlagen

Obwohl der Reaktor so gut wie möglich dekontaminiert wurde, enthält er bis heute radioaktive Substanzen. "Gemäss seinem Auftrag führt das BAG in den Entwässerungsanlagen (...) seit 1995 regelmässig Messungen durch (...). Gemessen werden Cäsium 137Cs und 134Cs, sowie das Cobaltisotop 60Co, Tritium-3H und Strontium 90. Zwischen 2001 und 2010 wurde in den Wasserproben durchschnittlich eine Tritiumkonzentration von 15 Bq/L gemessen." Seite Ende 2011 wurde eine deutlich erhöhte Tritiumkonzentration von bis zu 230 Bq/L festgestellt, die aber noch unter dem Grenzwert der Strahlenschutzverordnung von 12‘000 Bq/L liegt.[7]

Hinzuzufügen bleibt, dass die Schweiz, nachdem die Eigenentwicklung in Lucens zubetoniert und stillgelegt worden war, auch ihre Pläne für Atomkraftwerke "Made in Switzerland" begrub.[6] Die "Neue Zürcher Zeitung" diskutierte am 6. Juli 1969 die Frage, ob es sich bei dem mit Natururan betriebenen Schwerwasserreaktor nicht doch um eine "kolossale Fehlinvestition" gehandelt habe. Das ursprüngliche Budget für die Baukosten von 59,5 Mio. Franken verdoppelte sich 1966 fast auf 100 Mio. Franken. Obwohl schon 1965 Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Versuchsatomkraftwerks geäußert worden waren, wurde es doch fertiggebaut.[8]

Fernsehbeitrag

  • Kernschmelze in der Schweiz: Der eigene Atomreaktor Lucens 1969
    Von der Planung, bis zur Kernschmelze und die Situation heute.
Kernschmelze_in_der_Schweiz_Der_eigene_Atomreaktor_Lucens_1969

Kernschmelze in der Schweiz Der eigene Atomreaktor Lucens 1969

3sat, hochgeladen am 13. Juni 2013 auf YouTube

Weitere Links:

→ ENSI: Versuchsatomkraftwerk Lucens
→ Welt Online: Als die Schweiz knapp einem Super-GAU entging vom Januar 2019
→ SRF: Vor 45 Jahren: Der schlimmste Atomunfall der Schweiz vom 21. Januar 2014, mit Videos
→ NZZ: Der vergessene Atomunfall von Lucens vom 6. Januar 2014
→ Berliner Zeitung: Der vergessene Schweizer GAU vom 19. März 2011
→ AtomkraftwerkePlag: Schweiz


(Letzte Änderung: 23.08.2021)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEO PRIS: Switzerland abgerufen am 23. August 2021
  2. www-pub.iaea.org: Challenges for Removal of Damaged Fuel and Debris vom 1. Februar 2013
  3. Joachim Radkau & Lothar Hahn: Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft. oekom, München 2013, S. 272.
  4. tagesanzeiger.ch: Als es im Schweizer AKW zur Kernschmelze kam vom 18. Januar 2014
  5. 5,0 5,1 TagesAnzeiger: ... 41 Jahren: Kernschmelze in Schweizer Reaktor vom 21. Januar 2010 (via WayBack)
  6. 6,0 6,1 6,2 Berner Zeitung Der vergessene Schweizer GAU vom 15. Januar 2011
  7. Schweizerische Eidgenossenschaft Ehemalige Reaktorversuchsanlage Lucens: Tritiumwert in Entwässerungsanlage erhöht vom 4. April 2012
  8. NZZ: Die Stunde der Wahrheit in Lucens vom 6. Juli 1969