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Atomenergie in außereuropäischen Ländern > Indien

Reaktoren in Betrieb: 23 • im Bau: 6 • stillgelegt: - [1]


Mit Atomkraft Aufstieg zur Weltmacht?

Kudankulam NPP

AKW Kudankulam 2009 (Indien)

Erste Pläne, die Atomenergie in Indien zu nutzen, gab es noch während der Kolonialzeit 1944. Schon 1948, ein Jahr nach Erlangung der Unabhängigkeit, wurden ein Gesetz zur Atomenergie verabschiedet und die indische Atomic Energy Commission (AEC) gegründet. 1954 wurde von der Regierung das Department of Atomic Energy (DAE) eingerichtet, und 1957 war Indien ein Gründungsmitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Der endgültige Einstieg in die Atomkraft erfolgte 1964 mit dem Baubeginn der Siedewasserreaktoren Tarapur-1 und -2, die 1969 in Betrieb genommen wurden.[2][3]

Die indische Regierung sieht ihr Atomkraftprogramm als wichtigen Bestandteil ihres Aufstiegs zur Weltmacht.[4] Sie strebt eine Aufnahme in die Nuclear Suppliers Group (NSG) an; dies gilt auch als Voraussetzung, um nukleare Technologie exportieren zu können.[5]

In Indien unterstützen alle Parteien und auch die Legislative den Ausbau der Atomkraft. Im Mai 2013 erklärte der Oberste Gerichtshof, dass die Energieproduktion Vorrang vor den Sicherheitsbedenken der lokalen Bevölkerung habe. Der Widerstand der Bevölkerung wurde durch die Regierung als "Agitation" von aus dem Ausland finanzierten Nichtregierungsorganisationen diffamiert, die Indien von der Nutzung der Atomkraft abhalten möchten.[6]

Der neue indische Premierminister Narendra Modi erklärte im Juni 2014: "Kernkraft wird ein Eckstein der indischen Energieversorgung."[7]

Indien hat zwar eine Atomaufsicht (AERB), diese ist aber direkt der Regierung unterstellt und nicht unabhängig. Sie kann weder die Strahlenwerte von AKW prüfen (das ist Aufgabe der Betreiber), noch die Sicherheit bei der Entsorgung von Atommüll.[8]

Kritisiert wurden lange Zeit die sogenannten Hermesbürgschaften, mit denen die deutsche Bundesregierung internationale AKW-Neubauprojekte auch in Indien förderte. Minister Sigmar Gabriel kündigte im Juni 2014 ein Ende dieser Exportgarantien an, das sich allerdings nur auf konventionelle AKW bezieht, nicht auf Forschungsreaktoren.[9]

Reaktoren

Derzeit liefern in Indien 23 Reaktoren an sieben Standorten Strom, sechs neue Reaktoren sind im Bau. Eigentümer und Betreiber ist die staatliche Gesellschaft Nuclear Power Corporation of India Limited (NPCIL). Der Anteil der Atomenergie an der Stromerzeugung liegt bislang bei rund 3,5 %.[1]

Informationen zu allen Standorten mit aktiven Reaktoren auf den Seiten:
Kaiga
Kakrapar
Kudankulam
Madras
Narora
Rajasthan
Tarapur

Im Bau:
PFBR (Standort Madras)

Geplant:
Advanced Heavy Water Reactors
Bhimpur
Chutka
Gorakhpur
Haripur
Jaitapur
Kovvada
Mahi Banswara

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Laut World Nuclear Association (WNA) wurden weitere Atomkraftwerke an den Standorten Rajouli (Bihar), Markandi (Orissa), Nizampatnam (Andhra Pradesh), Pulivendula (Andhra Pradesh) und Chhaya-Mithi (Gujarat) vorgeschlagen.[10]

Indien betreibt derzeit sieben Forschungsreaktoren; viele andere sind abgeschaltet oder stillgelegt (Stand: 3. April 2021).[11]

Indien besitzt drei Wiederaufarbeitungsanlagen: Trombay (betrieben seit 1964), Tarapur (seit 1975) und Kalpakkam (seit 1983).[12]

Indien beteiligt sich mit zwei Anlagen vom Typ Tokamak an der internationalen Kernfusionsforschung. → ADITYA und → SST-1

Anteil der Atomenergie soll massiv steigen

Es gibt verschiedene Szenarien, die Energieerzeugung aus Atomkraft auf 500 GW bis 2060 oder sogar auf 600 bis 700 GW bis 2050 zu erhöhen.[10] Gefährliche Szenarien, denn dafür müssten Hunderte von Reaktoren in Indien gebaut werden, und die Wahrscheinlichkeit schwerer Atomunfälle würde sich um ein Vielfaches erhöhen.

2011 wurde ein großes Thorium-Vorkommen in Indien entdeckt,[13] laut einer Meldung des "Guardian" das größte der Welt. Indien plant deshalb auch die Entwicklung von Thorium-Reaktoren.[14]Advanced Heavy Water Reactors

Nach einer Meldung vom Juli 2014 verhandelten Indien und Russland über den Bau von 22 neuen Atomanlagen.[15] Seit 2014 liefert Australien Uran an Indien zur zivilen Nutzung. Am 5. September 2014 unterzeichneten Indien und Australien ein entsprechendes Abkommen.[16]

Im Mai 2017 beschloss die Regierung den Bau von zehn einheimischen Schwerwasserreaktoren.[17]

Im Januar 2019 wurde berichtet, dass Indien bis 2031 21 neue Einheiten in Betrieb nehmen möchte.[18]

Widerstände gegen indisches Atomprogramm

Die Pläne der Regierung zum Neubau von Atomkraftwerken stoßen auf massive Widerstände in der Bevölkerung, für die es gute Gründe gibt.

In Indiens Geschichte ist es immer wieder zu gefährlichen Störfällen gekommen, wie z. B. 1989, als in der Umgebung des das AKWs → Tarapur Hunderte von Menschen verstrahlt wurden, oder 2006, als von einer Uranverarbeitungsfabrik bei Jadugoda wegen eines Rohrbruchs radioaktives Material auf einer Fläche von 100 Quadratkilometer freigesetzt wurde.[19]

Bereits 1988 kam es zu Protesten gegen den Bau des Reaktors → Kakrapar.

Im April 2011 folgten bei → Jaitapur im westindischen Bundesstaat Maharashtra ein Generalstreik und gewalttätige Proteste, bei denen ein Atomkraftgegner von der Polizei erschossen wurde. Die indische Regierung wollte bei Jaitapur das größte indische AKW bauen, mit dessen Bauarbeiten bis heute nicht begonnen wurde (Stand: April 2021).

Ab 2011 ist es immer wieder zu Massenprotesten gegen den Bau des Atomkraftwerks → Kudankulam gekommen, das letztlich aber trotz aller Widerstände in Betrieb genommen wurde.

Der Widerstand der Bevölkerung gegen neue Atomkraftwerke ist aber nicht völlig erfolglos geblieben. Neue Projekte in den Bundesstaaten Gujarat und Andhra Pradesh wurden verhindert,[20] in West-Bengalen muss das AKW → Haripur möglicherweise aufgegeben werden.

2013 wurde ein Film mit dem Titel "Nuclear Lies" gedreht, der die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung in der Nähe von Atomkraftwerken, verstrahlte Uranminen und Aufarbeitungsanlagen zeigt.[21]

Fortschritte und Perspektiven bei erneuerbaren Energien

Nach Informationen der Indian Wind Energy Association (InWEA) hatte Indien bis April 2021 eine Kapazität von rund 37 GW aus Windkraftwerken installiert und belegte damit Platz 4 in der Welt. Der Branchenverband sieht Onshore-Kapazitäten von 300 GW.[22]

Seine Stromerzeugung aus Solarenergie steigerte Indien von 17,2 MW im Jahre 2010 auf 2.208 MW (2,2 GW) im Jahr 2014. Bis 2022 sollen 20 GW durch Solarkraftwerke erzeugt werden. Am 4. Februar 2014 wurde bekannt, dass Indien den Bau der weltweit leistungsstärksten Photovoltaikanlage mit einer Kapazität von 4.000 MW (4 GW) plante, was der Leistung von vier Atomkraftwerken entspricht. Die Anlage sollte für 4,4 Mrd. US-Dollar am Sambhar-Salzsee im Norden Rajasthan errichtet werden. Umweltschützer kritisierten, dass ein zentralisierter Bau von Solaranlagen in Verbindung mit einem mangelhaften Stromnetz der falsche Ansatz sei. Dezentrale kleinere Einheiten würden sich für Indien besser eignen.[23]

Militärische Nutzung der Atomkraft

1974 führte Indien seinen ersten erfolgreichen Atomwaffentest durch.[24] Schätzungen zufolge verfügt das Land über einen Bestand von 160 nuklearen Sprengköpfen (Stand: März 2021).[25]

Das für die indischen Atomwaffen benötigte Plutonium wurde vor allem im → Bhabha Atomic Research Centre (BARC) in den Forschungsreaktoren → CIRUS und → Dhruva  produziert. Im BARC wurde darüber hinaus ein Prozess zur Extraktion von Tritium aus Schwerwasser angewendet; das Tritium kann für Wasserstoffbomben verwendet werden (Stand: 2003).[26] Ob dies heute noch der Fall ist, ist nicht belegt.

Weitere Links

→ Department of Atomic Energy (DAE): Saga of Atomic Energy in India
Anti-Atom Indien (Informationen zu den Anti-AKW-Bewegungen in Indien)
→ Saraswati Kavula: The Great Indian Nuclear Maya vom 28. März 2012
→ Greenpeace: Accidents at nuclear power plants in India


(Letzte Änderung: 22.04.2021)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEA: PRIS - CountryStatistics/India abgerufen am 3. April 2021
  2. IAEO: Country Nuclear Power Profiles/India abgerufen am 3. April 2021
  3. IAEO: Member States abgerufen am 3. April 2021
  4. Spiegel Online: Indien und Pakistan suchen ihr Heil in Atomkraft vom 14. März 2011
  5. SRF: Indien setzt ganz auf Atomenergie vom 30. Juli 2014
  6. Deutschlandfunk: Energiehunger gegen unversehrtes Leben vom 29. Juli 2013
  7. Handelsblatt: What's right? Die Kernenergie ist wieder da vom 27. Juni 2014
  8. Spiegel Online: Atomaufsicht kann Verstöße mit höchstens 7,24 Euro ahnden vom 23. August 2012
  9. taz.de: Keine Atom-Förderung im Ausland mehr - Umweltverbände nur halb zufrieden vom 13. Juni 2014
  10. 10,0 10,1 WNA: Nuclear Power in India abgerufen am 3. April 2021
  11. IAEO: Research Reactors/Countries: India abgerufen am 3. April 2021
  12. BARC: 6. INDIAN PROGRAMME ON REPROCESSING abgerufen am 3. April 2021
  13. Spiegel Online: Inder entdecken riesiges Uranvorkommen vom 19. Juli 2011
  14. The Guardian: India plans 'safer' nuclear plant powered by thorium vom 1. November 2011
  15. Indien aktuell: Indien will Atommacht sein vom 31. Juli 2014 (via WayBack)
  16. FR Online: Australien liefert Uran an Indien vom 5. September 2014 (via WayBack)
  17. Hindustan Times: India to build 10 heavy water reactors to boost nuclear power vom 17. Mai 2017
  18. world nuclear news: India to bring 21 more reactors online by 2031 vom 4. Januar 2019
  19. tagesschau.de: Kosten von Atomunfällen - Fukushima, Tschernobyl und viele andere vom 11. März 2014 (via WayBack)
  20. heise.de: Atomkraft: Indische Proteste, deutsche Exportförderung vom 2. April 2012
  21. derStandard: Nuclear Lies vom 30. September 2013
  22. InWEA: Homepage abgerufen am 4. April 2021
  23. nature.com: India to build world's largest solar plant vom 4. Februar 2014
  24. NTI: India/Nuclear abgerufen am 4. April 2021
  25. FAS: Status of World Nuclear Forces abgerufen am 22. April 2021
  26. NTI: Bhabha Atomic Research Center vom 1. September 2003
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