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Versicherbarkeit von Atomkraftwerken > Haftung und Deckungsvorsorge

Haftungsvorschriften im Atomgesetz

Datei:Japan apocalypse by TEPCO DDC3768.jpg

Das deutsche Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtG) regelt unter anderem die Haftungsfragen für Atomkraftwerke. Gemäß § 25 AtG "Haftung für Kernanlagen" haften einerseits die Betreiber für Schäden summenmäßig unbegrenzt, d. h. mit ihrem gesamten Vermögen.[1] Es können damit jedoch bestenfalls Schäden gedeckt werden, die dem Wert des Unternehmens entsprechen.

Da alle größeren Energieversorger Aktiengesellschaften sind, würde der Aktienwert des Unternehmens im Falle eines GAUs einbrechen – der ehemalige Börsenwert wäre nur noch Makulatur. So war es beim japanischen Konzern TEPCO der Fall, welcher schließlich verstaatlicht werden musste. Der japanische Staat übernahm mehr als 50 % der Stimmrechte. Ohne diese Maßnahme hätte TEPCO Insolvenz anmelden müssen.[2][3]

Bei einem GAU in Deutschland und der Insolvenz des Betreibers müsste die Bundesregierung, und damit der Steuerzahler, für Evakuierungsosten, Dekontaminationsmaßnahmen, Entschädigungszahlungen etc. aufkommen.

Deckungsvorsorge

Die Betreiber der Atomkraftwerke müssen für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen eine Deckungsvorsorge von derzeit 2,5 Milliarden Euro vorweisen.[1] Tatsächlich ist jedes Atomkraftwerk aber mit nur 256 Millionen Euro über eine Haftpflichtversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft versichert. Die restlichen 2,244 Mrd. Euro, und damit den Großteil, sichern die Betreibergesellschaften durch gegenseitige Garantiezusagen ab.[4][5][6]

Freistellungsverpflichtung

§ 34 des Deutschen Atomgesetzes (AtG) legt fest, dass "der Bund den Inhaber der Kernanlage oder den Besitzer radioaktiver Stoffe von Schadensersatzverpflichtungen freizustellen [hat], soweit diese von der Deckungsvorsorge nicht gedeckt sind oder aus ihr nicht erfüllt werden können". Der Höchstbetrag der Freistellungsverpflichtung wird auf 2,5 Milliarden Euro gedeckelt.[1] Die Freistellungsverpflichtung des Bundes bedeutet einfach ausgedrückt: Der Staat übernimmt die Pflicht zur Zahlung von Entschädigungsleistungen.

Das ist ein klarer Widerspruch zu § 25 AtG und der summenmäßig unbegrenzten Haftung der Betreiber.

→ Studie "Haftungsbeschränkung bei Atomkraftwerken bzw. staatliche AKW-Förderung in der EU und mögliche Rechtsschritte wegen unzulässiger Beihilfe" vom Dezember 2012 (via Wayback)

  • "Demnach stellt der Bund den Inhaber der Kernanlage von dessen Haftung frei, wenn die gesetzlichen Schadenersatzverpflichtungen von der Deckungsvorsorge nicht gedeckt sind oder aus ihr nicht erfüllt werden können."
  • Beispiel: "Inhaber/Betreiber des AKW Emsland" ist "die Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH, deren Stammkapital sich auf 165 Mio € beläuft" und nicht die "kapitalmäßig wesentlich besser ausgestatteten Muttergesellschaften E.ON und RWE".
  • siehe dazu auch den Fernsehbeitrag: Das große Geschäft der Stromkonzerne

Höhere Gewalt

In den Medien ist bislang kaum thematisiert worden, wann der Betreiber von Atomkraftwerken im Falle eines Unfalls haftet. Nur bei eigenem Verschulden, wie z. B. menschlichem Versagen oder Konstruktionsmängeln an Atomkraftwerken? Oder auch bei Naturkatastrophen, Flugzeugabstürzen, Terrorangriffen, Krieg, Ursachen also, die der Betreiber nicht direkt verursacht hat?

Im Pariser Atomhaftungsübereinkommen von 1960 ist zu Gunsten des Inhabers höhere Gewalt ausgeschlossen worden.[7]

In § 25 des Deutschen Atomgesetzes ist diese Regelung jedoch nicht übernommen worden: "Die Bestimmungen des Artikels 9 des Pariser Übereinkommens über den Haftungsausschluß bei Schäden, die auf nuklearen Ereignissen beruhen, die unmittelbar auf Handlungen eines bewaffneten Konfliktes, von Feindseligkeiten, eines Bürgerkrieges, eines Aufstandes oder auf eine schwere Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art zurückzuführen sind, sind nicht anzuwenden."[1]

In Deutschland kommt damit eine unbeschränkte Gefährdungshaftung zur Anwendung.[8] Wie in einer Studie des BEE ausgeführt wurde, bedeutet dies, "es kommt bei einem Schaden nicht auf dessen Widerrechtlichkeit oder Verschulden des Inhabers an. Vielmehr haftet der Inhaber eines KKW unbegrenzt und unabhängig vom Verschulden gegenüber Schadenersatzansprüchen Dritter."[9] Dies wird auch auf der Website "kernenergie.de" des Deutschen Atomforums (DAtF), der wichtigsten Lobbyorganisation in Deutschland, bestätigt.[4]

Zugleich deckelt der Staat die Haftungshöchstgrenze: Im Falle eines bewaffneten Konfliktes, Feindseligkeiten, eines Bürgerkrieges, eines Aufstandes oder einer schweren Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art wird laut § 31 AtG "die Haftung des Inhabers auf den Höchstbetrag der staatlichen Freistellungsverpflichtung begrenzt".[1] Das sind gegenwärtig 2,5 Milliarden Euro.

Laut Dirk Harbrücker, Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG), werden die "Folgen eines atomaren Unfalls, der unmittelbar auf eine außergewöhnlich [sic] Naturkatastrophe zurückgeht", nicht von den Versicherungsgesellschaften versichert.[10]

"Die Versicherer zahlen nicht, wenn der Schaden auf einen bewaffneten Konflikt, Aufstand, Bürgerkrieg oder eine schwere Naturkatastrophe zurückzuführen ist. Bei leichteren Naturereignissen wie Stürmen steht die DKVG dagegen in der Pflicht. Dasselbe gilt für Terroranschläge, technisches oder menschliches Versagen."[11]

Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG) (Interview)
→ Wikipedia: Atompool. Über Versicherungspools, wie z. B. die DKVG


(Letzte Änderung: 06.11.2014)

Einzelnachweise

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