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Atomenergie in Europa > Großbritannien

Reaktoren in Betrieb: 13 • im Bau: 2 • stillgelegt: 32 [1][2]


Reaktoren seit den 1950er Jahren

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Parlament in London (Großbritannien)

Atomkraft hat in Großbritannien, einem Gründungsmitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) 1957,[3] eine lange Tradition.

Erste Reaktoren sind bereits in den 1950er Jahren ans Netz gegangen. Eine besondere Vorliebe bestand für gasgekühlte Reaktoren, von denen die meisten bis 2006 abgeschaltet wurden. Der Rest macht aber heute noch das Gros des Kraftwerkparks aus.[4] Großbritannien war auch schon früh in die Brütertechnologie eingestiegen, die jedoch 1956 zu einer Explosion in → Dounreay führte. 1981 wurde der geplante Schnelle Brüter Commercial Demonstration Fast Reactor (CDFR) aufgegeben, der 1.320 MW Leistung besitzen und mit Mischoxiden (MOX) betrieben werden sollte.[5][6] Mehrere geplante dampferzeugende Schwerwasserreaktoren wurden ebenfalls verworfen. → SGHWR

In den 1980er Jahren war der britische Kraftwerkbestand völlig überaltert. Die damalige Premierministerin Thatcher setzte jedoch weiter auf Atomkraft. Sie war der Meinung, Großbritanniens wirtschaftlicher Abstieg sei auf eine Vernachlässigung der Atomenergie zurückzuführen und plante massive Investitionen. Risiken sah sie bei den Altreaktoren nicht: "In puncto Sicherheit, so Frau Thatcher, seien Britanniens Atomanlagen "second to none"."[7] Eine von ihr angestrebte Privatisierung aller Atomkraftwerke scheiterte, weil kein Unternehmen die maroden Atomanlagen kaufen wollte. "Die 34 zum Verkauf stehenden Kernreaktoren, ließ National-Power-Manager Baker mitteilen, seien - so der Kern der blumenreich verschlüsselten Botschaft - ein einziger Schrotthaufen."[8]

Keine Kursänderung nach Fukushima

David Cameron behielt den Pro-Atom-Kurs bei. Wenige Tage nach dem Fukushima-GAU kündigte er an, eine Atom-Renaissance einleiten zu wollen.[9] Kritische Stimmen worden von der Londoner Regierung unterdrückt. Die britische Tageszeitung "Guardian" entdeckte interne E-Mails britischer Regierungsmitarbeiter, die zwei Tage nach Fukushima in Kontakt mit britischen Energiekonzernen traten, mit denen sie eine gemeinsame PR-Strategie für Atomkraft entwickelten. Der GAU sollte heruntergespielt werden, um Widerstände gegen eigene Reaktorneubauten zu verhindern.[10]

Mit der Übernahme der British Energy durch die EDF Energy am 3. Februar 2009 wurde die französische Électricité de France (EDF) in Großbritannien zu einem der größten Energieunternehmen und Eigentümer aller aktiven britischen Atomkraftwerke.[11]

Im Oktober 2011 wurde der Pro-Atomkraft-Kurs bestätigt.[12] 11 neue Reaktoren wurden an den bestehenden Standorten Hinkley Point, Oldbury, Sizewell und Wylfa sowie am neuen Standort Moorside geplant oder vorgeschlagen. Die neuen Einheiten sollen ab 2023 bis zum Ende der 2020er Jahre in Betrieb gehen.[13] Dies ist auch in einem Strategiepapier der Regierung vom 26. März 2013 nachzulesen: → gov.uk: Nuclear industrial strategy: the UK's nuclear future.

Die neue Einheit Hinkley Point C soll 7 % des britischen Energiebedarfs ab 2023 decken. Der Bau wird durch Milliardensubventionen finanziert: Detaillierte Informationen unter Hinkley Point (Großbritannien) - Ausbaupläne mit Bürgschaften und Preisgarantien

2018 wurden geplante Reaktoren am Standort Moorside aufgegeben. Im Januar 2019 erlitten die Pläne für weitere Reaktoren einen empfindlichen Rückschlag: Der japanische Konzern Hitachi teilt mit, die Neubauprojekte in Wylfa und Oldbury wegen der ungeklärten Finanzierungsfrage einzustellen.[14]

13 Altreaktoren

Momentan sind im Vereinigten Königreich nach der Abschaltung von Dungeness B noch 13 Einheiten an sechs Standorten in Betrieb, die meisten davon gasgekühlte AGR-Reaktoren. Zwei Einheiten, Hinkley Point C-1 und C-2, befinden sich seit 2018 und 2019 im Bau.[1][2] Viele ältere Reaktoren sind bereits vom Netz gegangen, darunter Chapelcross, in dem sich am 2. Mai 1967 eine teilweise Kernschmelze ereignet hatte. Im kommenden Jahrzehnt sollen bis auf Sizewell B alle derzeit aktiven Reaktoren stillgelegt werden.[15] Die Kosten für die Sanierung aller verseuchten britischen Standorte wurden im September 2014 auf 69 Mrd. britische Pfund geschätzt.[16]

Standorte mit aktiven Reaktoren:
Hartlepool
Heysham
Hinkley Point
Hunterston
Sizewell
Torness

Stillgelegte Standorte:
Berkeley
Bradwell
Dungeness
Calder Hall
Chapelcross
Dounreay
Oldbury
Trawsfynydd
Windscale AGR
Winfrith
Wylfa

Aufgegebene Reaktoren:
Moorside
SGHWR

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Bemerkenswert ist, dass Großbritannien laut IAEO nur noch einen aktiven Forschungsreaktor mit der Bezeichnung Neptune und einer Leistung von 0,100 KW aus dem Jahr 1963 besitzt, daneben aber eine große Zahl abgeschalteter oder stillgelegter Forschungsreaktoren.[17]

Seit 1983 betreibt das Land eine Anlage zur Erforschung der Kernfusion. → Joint European Torus (JET)

Sellafield und Dounreay

Aerial view Sellafield, Cumbria - geograph.org

Brennelementefabrik Sellafield (Großbritannien)

Auf britischem Boden, in der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield, befindet sich das größte Plutoniumlager der Welt. 1956 hatte sich auf diesem Gelände der Reaktorbrand von Windscale ereignet. In der Nähe von Sellafield befindet sich außerdem das Lager Drigg, in dem eine Millionen Tonnen Atommüll gelagert werden. Die britische Umweltbehörde geht davon aus, dass das Lager im Meer versinken und die Westküste Großbritanniens radioaktiv verseuchen wird. → Sellafield (ehemals Windscale)

Das mittlerweile in Stilllegung befindliche Atomzentrum Dounreay an der Nordspitze Schottlands hinterließ laut der schottischen Umweltbehörde eine irreparabel radioaktiv verseuchte Küstenregion und verursachte einen Anstieg der Leukämieerkrankungen bei Kindern. → Dounreay

Neues Standbein Windenergie

Großbritannien setzt zugleich seit Jahren verstärkt auf Windenergie, möchte zur führenden Offshore-Nation werden und damit ein Viertel seines heimischen Energiebedarfs decken.[18]

Am 4. Januar 2013 eröffnete Premierminister Cameron den größten Windpark der Welt vor der Küste Südenglands. Am Bau der 175 Turbinen umfassenden und 2,3 Mrd. Dollar teuren Anlage "London Array" waren auch E.ON und Siemens beteiligt. Die Anlage hat 630 MW Leistung und kann eine halbe Million Haushalte mit Strom versorgen. "Bis 2020 plant die Regierung in London mit insgesamt 18 Gigawatt derart installierter Leistung. Windparks mit insgesamt 3,3 Gigawatt sind bereits in Betrieb."[19]

Schottland: Atomausstieg bis 2020

Schottland kündigte am 19. März 2012 an, keine neuen AKW auf schottischem Boden bauen lassen und längerfristig aus der Atomkraft aussteigen zu wollen.[20]

Als erstes AKW sollte 2016 Hunterston B mit zwei Reaktoren vom Netz gehen. Der Atomausstieg sollte bis 2020 vollzogen und die Energieversorgung zu 100 % durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Bereits jetzt liegt der Anteil in Schottland bei 46,5 %. Ein Hauptgrund für den Atomausstieg ist, dass es keine Lösung für die Lagerung von Atommüll gibt, ein weiterer, dass dezentrale Strukturen bei der Stromerzeugung aufgebaut werden sollen.[21] Hunterston B ist bislang noch in Betrieb (Stand: Januar 2018).

Militärische Nutzung der Atomkraft

Großbritannien begann 1940 mit der Entwicklung von Atomwaffen und führte 1952 den ersten erfolgreichen Atomwaffentest durch.[22] Schätzungen zufolge verfügt das Land über einen Bestand von 195 nuklearen Sprengköpfen (Stand: März 2021).[23]

Das für das britische Atomwaffenprogramm benötigte Plutonium wurde von den zwei → Windscale Piles mit ihren beiden luftgekühlten Reaktoren produziert,[24] aber auch von den Atomkraftwerken → Calder Hall und → Chapelcross sowie möglicherweise weiteren gasgekühlten MAGNOX-Reaktoren, die darüber hinaus zur kommerziellen Stromerzeugung dienten.[25] In Calder Hall und Chapelcross wurde darüber hinaus Tritium für Wasserstoffbomben produziert.


(Letzte Änderung: 11.09.2021)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEA: PRIS - CountryStatistics/United Kingdom abgerufen am 13. März 2019
  2. 2,0 2,1 world nuclear news: EDF Energy permanently closes UK's Dungeness B vom 8. Juni 2021
  3. IAEO: Member States abgerufen am 11. März 2016
  4. IAEO: Country Nuclear Power Profiles/United Kingdom abgerufen am 14. Februar 2015
  5. IAEO PRIS: CDFR abgerufen am 25. März 2016
  6. books.google.de: Fast Breeder Reactors von 1981
  7. DER SPIEGEL 16/1987: Sich selbst in die Luft gesprengt vom 13. April 1987
  8. DER SPIEGEL 2/1990: Unsanfte Landung vom 8. Januar 1990
  9. Spiegel Online: Tories träumen von der Atom-Renaissance vom 20. März 2011
  10. Spiegel Online: Kampf den Atom-Kritikern vom 1. Juli 2011
  11. British Energy: British Energy, part of EDF Energy  abgerufen am 17. April 2017 (via WayBack)
  12. Focus Online: Großbritannien sagt Ja zur Atomkraft vom 11. Oktober 2011
  13. WNA: Nuclear Power in the United Kingdom abgerufen am 28. August 2013
  14. nuklearforum.ch: Hitachi legt Baupläne in Grossbritannien auf Eis vom 22. Januar 2019
  15. heise online: AKW-Bau nur mit Staatsknete vom 1. Juli 2013
  16. Independent: Nuclear waste workers at Dounreay power station fear for their safety vom 15. März 2015
  17. IAEO: Research Reactors/Countries: United Kingdom abgerufen am 4. April 2014
  18. Focus Online: Megaprojekt vor Englands Küste - In der Nordsee entsteht der größte Offshore-Windpark der Welt vom 4. Oktober 2012
  19. Spiegel Online: Offshore-Energie: Großbritannien eröffnet größten Windpark der Welt vom 4. Juli 2013
  20. nuklearforum.ch: Zukünftige schottische Stromerzeugung: anspruchsvolle Ziele vom 19. März 2012
  21. Badische Zeitung: Die Schotten wollen nur noch Ökostrom vom 11. August 2014
  22. NTI: United Kingdom/Nuclear abgerufen am 16. Dezember 2015
  23. FAS: Status of World Nuclear Forces abgerufen am 22. April 2021
  24. sellafieldsites.com: Challenge abgerufen am 18. März 2017
  25. theguardian: First nuclear power plant to close vom 21. März 2003
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