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Atommüll - Zwischen- und Endlagerung > Export von Atommüll

Jahrelang gängige Praxis

Majak Satellitenkarte

Satellitenfoto/Karte der kerntechnischen Anlage Majak, gut sichtbar das Lager für spaltbares Material

Als im Januar 2013 bekannt wurde, dass Deutschland eine Legalisierung des Exports von Atommüll plante, ging ein überraschter Aufschrei der Empörung durch die deutschen Medien.[1]

Vergessen war, dass Deutschland schon im Jahr 1985 nicht grundsätzlich abgeneigt war, Atommüll in der Wüste Gobi in China entsorgen zu lassen und der Volksrepublik im Gegenzug deutsche Atomkraftwerke zu liefern.[2]

Und verschwiegen wurde, dass es in früheren Jahren gängige Praxis war, deutschen Atommüll nach Russland zu transportieren und dort zu lagern.

Überlegungen für Atommüllexporte nach Russland, Frankreich oder andere Länder gab es 1996 noch unter Bundeskanzler Helmut Kohl.[3]

2006 wurde in einem Transportflugzeug von Typ Iljuschin Uran aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf in die russische Wiederaufarbeitungsanlage Podolsk ausgeflogen.[4] Es handelte sich um 268 Kilogramm Brennelemente mit hoch angereichertem Uran. Vier Jahre später wollte die sächsische Landesregierung 951 abgebrannte Brennelemente aus Rossendorf ins russische Majak bringen lassen, was der damalige Umweltminister Röttgen verhinderte.[5]

Die Energiekonzerne planten 2006, deutschen Atommüll nach Russland zu exportieren. Als Alternative zum deutschen Endlagerkonzept wollte EnBW nicht nur den beim Rückbau anfallenden strahlenden Schrott, sondern auch hochradioaktive Brennelemente günstiger und ohne lästige Bürokratie in Russland entsorgen lassen. Sogar an ein Endlager in Russland wurde gedacht. In die Pläne involviert waren die Russische Akademie der Wissenschaften und angeblich auch Wladimir Putin. Russland hoffte auf Geschäfte mit einem Volumen von 30 Mrd. Euro. EnBW räumte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" ein, dass es solche Pläne gegeben habe, die aber nicht umgesetzt wurden.[6]

Atomtransporte_nach_Russland_120607

Atomtransporte nach Russland 120607

ZDF frontal21 Atomtransporte nach Russland vom 12. Juni 2007

ZDF frontal21 wies in einem Fernsehbeitrag vom Juni 2007 darauf hin, dass aus der Urananreicherungsanlage in Gronau abgereichertes Uranhexafluorid nach Russland exportiert worden war. Die Atomindustrie spricht von wiederverwendbarem Wertstoff, in Wirklichkeit handelt es sich aber um Atommüll. Über 90 % des Urans können nämlich nicht wiederaufbereitet werden, sondern lagern in rostigen Tonnen unter freiem Himmel und stellen eine ernste Gefahr für Mensch und Umwelt dar.

Seit 1996 transportierte URENCO, der Betreiber der UAA Gronau, insgesamt 27.300 Tonnen Uranhexafluorid nach Russland und stoppte den Export erst 2009. Das Uranhexafluorid ging anschließend nach Frankreich.[7] Mit dem gleichen Vorwand, es handle sich um wiederverwendbaren Wertstoff, entsorgte auch Frankreich 13 % des Atommülls aus seinen 58 Atomkraftwerken im sibirischen Sewersk/Tomsk-7, "wo sie unter freiem Himmel auf einem Parkplatz aufbewahrt würden, berichtete die "Libération"."[8] Umweltschützer sprechen von einer "riesigen Atommüllkippe", wo "neben den "Importen" von rund 127.000 Tonnen Uranhexafluorid aus dem westlichen Ausland auch etwa 700.000 Tonnen lagern, die die heimische Atomenergiewirtschaft angehäuft hat".[9]

Legalisierung von Atommüllexporten durch die EU

Der seit Jahren gängige Export von Atommüll wurde 2011 von der Europäischen Union legalisiert. In der EURATOM-Richtlinie vom 19. Juli 2011 heißt es:

"Radioaktive Abfälle werden in dem Mitgliedstaat endgelagert, in dem sie entstanden sind, es sei denn, zum Zeitpunkt der Verbringung war (...) ein Abkommen zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat in Kraft, nach dem eine Anlage zur Endlagerung in einem dieser Staaten genutzt wird."[10]

Dieser Richtlinie stimmte auch Deutschland zu. Die "Süddeutsche Zeitung" kommentierte: "Atommüll aus Europa darf weiter in andere Länder entsorgt werden - egal wie deren Sicherheitsstandards sind."[11]

Hans_Christian_Markert_zu_Altmaiers_Atomabfall-Verschiebereien

Hans Christian Markert zu Altmaiers Atomabfall-Verschiebereien

WDR: Bericht zu Altmaiers Gesetzesnovelle zum Atommüllexport (hochgeladen in YouTube am 4. Januar 2013)

Eine geplante Novelle im deutschen Atomgesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie sollte danach auch die Endlagerung von deutschem Atommüll im Ausland legalisieren. Nach Aussage des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2013 bedeutete dies jedoch nicht automatisch, dass nuklearer Müll aus Deutschland ins Ausland exportiert werden sollte.[1]

Dass sich die Bundesregierung nicht gegen die Richtlinie der EU wehrte, deutete jedoch darauf hin, dass der Export ins Ausland als Alternative für den Fall angesehen wird, dass in Deutschland kein Endlager durchgesetzt werden kann. Darüber hinaus würde mit der Gesetzesänderung die Möglichkeit geschaffen, im Gegenzug Atommüll aus dem Ausland nach Deutschland zu importieren und beispielsweise im Schacht Konrad endzulagern.[12]

Gegen entsprechende Bezahlung bietet Russland bereitwillig eine Lagerung von Atommüll an. "Die Europäische Union denkt laut Greenpeace darüber nach, es Ländern zu erlauben, nach einer gemeinsamen Lagerstätte zu suchen."[13]

Im Juni 2014 berichtete "heise.de", dass 300.000 abgebrannte Brennelementkugeln aus dem stillgelegten Versuchsreaktor Jülich (Nordrhein-Westfalen) in die USA exportiert werden sollten.[14] Drei Jahre später, im August 2017, wurde der Export in die USA weiterhin als mögliche Option angesehen.[15] Im Dezember 2017 erklärte die USA in einer Umweltverträglichkeitsstudie des Department of Energy ihre Bereitschaft, den Jülicher Atommüll im Zwischenlager Savannah-River-Site in South Carolina aufzunehmen. Die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) wollte dazu entsprechende Schritte in die Wege leiten.[16]Savannah River ist ein überwiegend militärisch genutzter Komplex, in dem u.a. Tritium für Atomwaffen aus Brennelementen separiert wird.

Am 30. Januar 2018 wurde bekannt, dass 13 defekte Brennstäbe aus dem stillgelegten AKW Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) nach Schweden transportiert werden sollen. In einer Forschungsanlage im schwedischen Studsvik südlich von Stockholm sollen die Defekte untersucht und dann die Brennstäbe vernichtet werden.[17]

Im November 2019 protestierten Atomkraftgegner wochenlang gegen einen Uranhexafluorid-Transport, der von der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland ging. Während die Atomkraftgegner das Uranhexafluorid als Atommüll ansehen und eine sichere Lagerung in Russland anzweifeln, wird dieses von der Firma URENCO als "Wertstoff" bezeichnet. Davon können nur zehn bis 20 Prozent angereichert werden, während der Rest als strahlender Müll in Russland zurückbleibt. Entsprechende Transporte waren bereits von 1996 bis 2009 durchgeführt, nach Protesten in Deutschland und Russland jedoch eingestellt worden.[18]

Standortauswahlgesetz

In ihrem Abschlussbericht von 2016 empfahl die → Kommission "Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe", "ein generelles Exportverbot für hoch radioaktive Abfälle gesetzlich festzuschreiben."[19]

Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Die Bundesregierung lehnte 2017 einen entsprechenden Antrag der Oppositionsparteien "auf Empfehlung des Umweltausschusses" mit Koalitionsmehrheit ab.[20]

Im Standortauswahlgesetz (StandAG) wurde 2017 allerdings festgelegt, dass Deutschland keine Verträge mit anderen Staaten schließen darf, die einen Export von hochradioaktivem Atommüll zur Endlagerung ermöglichen würden. Der Standort für ein Endlager soll "in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden".[21]

Weitere Fernsehbeiträge

  • Atommülllager im russischen Majak
    "Die Bundesregierung plant einen Atommülltransport ins russische Majak. Der Müll kommt aus Dresden und soll in Majak aufbereitet und gelagert werden. Doch die Zustände in dem Ort am Ural sind katastrophal, Umweltschützer halten die Endlagerung des Mülls dort für unverantwortlich. In der Vergangenheit hat es bereits mehrere Unfälle in der Anlage gegeben, Radioaktivität ist ausgetreten. Die Landschaft ist großflächig verseucht, ebenso ein nahegelegener See. Es gibt auch ein Dorf nicht weit von der Anlage – bisher hat niemand gehört, wie es den Bewohnern geht."[22]
Atommülllager_im_russischen_Majak_Journal_Reporter

Atommülllager im russischen Majak Journal Reporter

DW-TV, Journal Reporter vom 28. November 2010

(Letzte Änderung: 28.06.2023)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Focus Online: Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums - Bund ermöglicht Abschieben von Atommüll ins Ausland vom 4. Januar 2013 [Datum nachträglich von Focus geändert]
  2. Zeit Online: Atommüll für China - Langzeitprogramm für die Nutzung der Kernenergie im Reich der Mitte vom 4. Oktober 1985
  3. DER SPIEGEL 20/1996: Endlager Sibirien? vom 12. Mai 1996
  4. Spiegel Online: Umstrittener Atomtransport - Heikle Uranfracht auf dem Luftweg nach Russland vom 8. Dezember 2006
  5. DER SPIEGEL 50/2010: Schlechtes Vorbild vom 12. Dezember 2010
  6. Süddeutsche.de: Krasnojarsk statt Gorleben vom 27. Februar 2013
  7. taz.de: Endlager Russland vom 21. Oktober 2009
  8. FR Online: Atommüll in Russland entsorgt vom 12. Oktober 2009 (via Wayback)
  9. FAZ.net: ILLEGALE ATOMMÜLL-TRANSPORTE? „Ab nach Russland mit dem radioaktiven Müll“ vom 16. Oktober 2009
  10. eur-lex.europa.eu: RICHTLINIE 2011/70/EURATOM DES RATES vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, S. 6 vom 2. August 2011
  11. Süddeutsche.de: Atommüll-Ausfuhr in Drittstaaten - Brisante Exportware vom 19. Juli 2011
  12. heise online: Kein Exportverbot und jetzt auch noch der Import von Atommüll? vom 18. Januar 2013
  13. Handelsblatt: Wo lagert der deutsche Atommüll? Die verstrahlte Republik vom 25. März 2013
  14. heise.de: Deutscher Atommüll soll in die USA vom 4. Juni 2014
  15. Welt Online: Was wird aus dem Jülicher Atommüll? vom 9. August 2017
  16. Aachener Nachrichten: USA wollen den Jülicher Atommüll vom 22. Dezember 2017 (via WayBack)
  17. NDR: Atommüll aus Brunsbüttel kommt nach Schweden vom 30. Januar 2018 (via WayBack)
  18. tagesschau.de: Atomtransport nach Russland - Streit über den strahlenden Abfall vom 26. November 2019 (via WayBack)
  19. Spiegel Online: Kommission beschließt Kriterien für Endlagersuche vom 28. Juni 2016
  20. Deutscher Bundestag: Standortauswahlgesetz für ein atomares Endlager fortentwickelt vom 23. März 2017
  21. gesetze-im-internet.de: Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz - StandAG) vom 5. Mai 2017
  22. Deutsche Welle: Atommülllager im russischen Majak vom 28. November 2010
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