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Atommüll - Zwischen- und Endlagerung > Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN)

Bundeseigener Rückbau- und Entsorgungskonzern

Marina Lubmin Blick vom westlichen Kai auf den Hafen

Im Hintergrund AKW Greifswald (Lubmin), 2011

Die Energiewerke Nord (EWN) sind ein bundeseigener Konzern, der seine Aufgabe wie folgt definiert: "Unter dem EWN-Konzern sind Betriebe zusammengefasst, die sich mit dem Rückbau von kerntechnischen Anlagen beschäftigen. Im Ergebnis des Abbaus anfallende radioaktive Reststoffe/Abfälle werden zerlegt, behandelt, zwischengelagert und langfristig dem Bundesendlager zugeführt."[1]

Die EWN haben nur einen einzigen Gesellschafter: das Bundesministerium der Finanzen.[2]

Die Geschichte des Konzerns reicht bis ins Jahr 1967 zurück, als dieser als Energieunternehmen in der ehemaligen DDR gegründet wurde. Nach der deutschen Wiedervereinigung erfolgte 1990 die Umbenennung in "Energiewerke Nord AG" und 1991 die Umwandlung in die "Energiewerke Nord GmbH". Ab 1994 wurde als Tochterunternehmen die Zwischenlager Nord GmbH (ZLN GmbH) gegründet, 2003 die Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH (AVR GmbH) und 2006 die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH (WAK GmbH) integriert. 2008 erwarben die EWN 25 % der Anteile an der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE).[3]

Über die Zwischenlager Nord GmbH sind die EWN 100%iger Eigentümer des → Zwischenlagers Nord auf dem Gelände des AKW Greifswald/Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern).

Am 21. September 2010, als die Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke geplant war, wurde in den Medien gemeldet, dass eine Privatisierung der geplanten Endlager Gorleben und Schacht Konrad geplant sei. Die Atommülllagerung sollte, so wurde spekuliert, an die (allerdings bundeseigenen!) Energiewerke Nord (EWN) übertragen werden, die weitgehend autonom wirtschaften könnten. Das Vorhaben wurde bereits einen Tag später in einer Presseerklärung des Bundesumweltministeriums zurückgezogen.[4][5] 1991 hatte die Bundesregierung bereits einen ersten Anlauf unternommen, die Atommüll-Endlager, deren Errichtung und Betrieb staatliche Aufgabe ist, zu privatisieren.[6][7]

Im Juni 2015 wurde gemeldet, dass ein neues Tochterunternehmen der EWN geplant ist, dem die Zuständigkeit für den Rückbau des Versuchsreaktors AVR Jülich übertragen werden soll.[8]

Rückbauprojekte im In- und Ausland

Rheinsberg nuclear plant

AKW Rheinsberg 2010

Die EWN sollte ursprünglich nur die ehemaligen DDR-Atomkraftwerke Greifswald/Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Rheinsberg (Brandenburg) zurückbauen, wofür die Bundesrepublik ein Budget von 4,2 Mrd. Euro bereitgestellt hat. Sie sollte diese Aufgabe als Nachfolgegesellschaft der Treuhandanstalt übernehmen, die bis Jahresende 1994 Eigentümerin der beiden Anlagen war.[9] Die EWN sollte in "stiller Liquidation“ geführt werden und sich danach auflösen. Da aber später weitere AKW stillgelegt wurden und sich ein Markt für Rückbauunternehmen bildete, war die Expertise der EWN gefragt. Die Liquidationspläne wurden im Mai 2009 aufgehoben, und die EWN wurden privatwirtschaftlich tätig. "Wir verdienen jetzt Steuergelder zurück", erklärte der Konzern.[10]

Über seine Tochterunternehmen sind die EWN auch am Rückbau des Forschungszentrums Jülich mit dem AVR Jülich und aller stillgelegten Atomanlagen im Forschungszentrum Karlsruhe beteiligt: der WAK Karlsruhe, der Atomkraftwerke KNK und MZFR, des Forschungsreaktors FR-2 und anderen. Da diese dem Forschungsministeriums unterstanden und 2003 in den Besitz der bundeseignen Energiewerke Nord (EWN) übergingen, müssen die für Rückbau und Entsorgung anfallenden Kosten von 4,2 Mrd. Euro vom Bund getragen werden.[11]

Darüber partizipier(t)en die EWN u.a. beim Rückbau der AKW Obrigheim und Mülheim-Kärlich in Deutschland sowie Kosloduj (Bulgarien), Bohunice (Slowakei), Ignalina (Litauen), Tschernobyl (Ukraine), Armenia/Mezamor (Armenien) im Ausland. Bei weiteren Projekten in Westeuropa dürften die EWN ebenfalls beteiligt werden.[1][1][12][10]

Im Oktober 2003 wurden die Energiewerke Nord vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragt, die Projektleitung für den Bau eines Langzeitzwischenlagers und eines Entsorgungszentrums für schwach-und mittelradioaktive Abfälle in der Saida-Bucht im russischen Murmansk im Auftragswert von 600 Mio. Euro zu übernehmen. Im Langzeitzwischenlager werden 150 stillgelegte russische Atom-U-Boote und 25 atomare Serviceschiffe entsorgt.[13][14][15]

Nachdem der Rückbau der AKW Greifswald und Rheinsberg 2014 in die Endphase überging, hatten die EWN einen Stamm von 800 Mitarbeitern und sahen sich als "nuklearen Entsorgungsdienstleister des Bundes". Neben den bereits genannten Projekten wird es auch künftig genug Aufträge geben: So stehen beispielsweise der Rückbau der staatlichen Forschungsreaktoren und des Reaktors des Atomschiffs NS Otto Hahn an.[16]

Zuwendungen und Mitgliedschaften

Bis Ende 2007 stellte der Bund den Energiewerken Nord 2,5 Mrd. Euro zur Verfügung, damit diese ihre atomrechtlichen Verpflichtungen erfüllen können.[17]

Der Bund unterstützt die Energiewerke Nord in ihrer Funktion als Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt auch in den letzten Jahren durch Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt (in Euro): 104,0 Mio. (2011), 68,995 Mio. (2012), 85 Mio. (2013), 76,7 Mio. (2014) und 118,1 Mio. (2015, geplant). Alle diese Zuwendungen stammen aus den weiter oben genannten 4,2 Mrd. Euro Budget.[18][19]

Aus einer Kleinen Anfrage an den Bundestag und der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass die EWN Mitglied bei den Lobbyorganisationen Deutsches Atomforum (DAtF) und VGB PowerTech sind und Beiträge zahlen. Die beiden EWN-Töchter Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH (AVR GmbH) und Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs-GmbH (WAK GmbH) sind ebenfalls Mitglieder beim Deutschen Atomforum und zahlen Beiträge.[20]

Pläne für Gas- und Kohlekraftwerke aufgegeben

Die Energiewerke Nord haben nicht nur den Auftrag, das AKW Greifswald/Lubmin abzureißen, sondern auch, das Gelände zu vermarkten.

2007 wurde berichtet, dass Greifswald/Lubmin als Energiestandort erhalten bleiben sollte. Dorthin wurde durch die Ostsee die Gasleitung aus dem russischen Wyborg bei Sankt Petersburg geführt, weswegen ein große Gasanlage errichtet werden sollte – und nebenan auch gleich noch ein Steinkohlekraftwerk mit drei Blöcken und einer Leistung von je 800 Megawatt. Dagegen erhob sich teilweise Widerstand, insbesondere bei den Bewohnern des Seebades Lubmin.[21]

2009 zog sich allerdings der dänische Energiekonzern Dong Energy aus dem Projekt zurück. Da sich kein Investor fand und es im Sommer 2013 Schwierigkeiten beim Genehmigungsverfahren gab, verhängte die EWN-Geschäftsführung Anfang 2014 einen Ausgabenstopp. Ende November 2014 beschloss der EWN-Aufsichtsrat die Aufgabe des Projekts, im Dezember kam das endgültige Aus. Die Usedomer Bürgerinitiative forderte außerdem, die Planung für den Rückbau des Deiches bei Peenemünde zu beenden. Es werden ein Anstieg des Grundwasserspiegels sowie Risiken "durch im Boden lagernde Munitionsaltlasten" befürchtet.[22][23]

Am 1. Juni 2015 hat die Energiewerke Nord GmbH an ihrem Standort ein Blockheizkraft mit Kraft-Wärme-Kopplung in Betrieb genommen.[24]

Unbefristete Lagerung von externem Atommüll?

Bisher durfte Atommüll im Zwischenlager Nord, der nicht aus Mecklenburg-Vorpommern stammt, nur fünf Jahre vor und nach der Behandlung  gelagert werden. Dies hatte die Landesregierung wegen Sicherheitsbedenken vorgegeben, da EWN keinen Nachweis erbracht hatte, dass die Anlage ausreichend gegen terroristische Anschläge geschützt ist. Zudem würde das Lagervolumen durch externen Abfall erheblich gesteigert. Die Opposition befürchtet sogar einen Ausbau des Zwischenlagers in ein Endlager. Gegen diese Vorschrift des Landes klagten die EWN vor dem Verwaltungsgericht Greifwalds und bekamen im November 2014 Recht: Das Innenministerium muss auf Anweisung des Gerichts die Genehmigung ändern und eine unbefristete Lagerung erlauben. Das Innenministerium erwägt, Berufung einzulegen und erklärte zudem, dass es kein Endlager in Greifswald geben solle.[25][26]

Fernsehbeiträge

EWN_GmbH_will_nukleare_Sicherheitskompetenz_ausbauen

EWN GmbH will nukleare Sicherheitskompetenz ausbauen

Sendung Regional vom 15. Februar 2013

Noch_mehr_AtomMüll_ins_Zwischenlager_bei_Lubmin...

Noch mehr AtomMüll ins Zwischenlager bei Lubmin...

Sendung Regional, hochgeladen am 27. Januar 2011 auf YouTube


(Letzte Änderung: 16.06.2015)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 EWN Energiewerke Nord GmbH (Homepage) abgerufen am 11. Juni 2015
  2. EWN: Firmenporträt/Aufgabe abgerufen am 11. Juni 2015
  3. Energiewende Nord GmbH: Das Unternehmen abgerufen am 11. Juni 2015
  4. Zeit Online: Atomgesetz - Regierung erwägt Privatisierung von Atom-Endlagern vom 21. September 2010
  5. n-tv.de: Rückzug "im Laufe des Vormittags" - Atommülllager bleiben staatlich vom 22. September 2010
  6. DER SPIEGEL 4/1991: Atommüll-Lager sollen privatisiert werden vom 21. Januar 1991
  7. Deutscher Bundestag: Ausbau der Kernenergie mit Hilfe der geplanten Novelle des Atomgesetzes (Drucksache 12/431) vom 26. April 1991
  8. rundschau-online.de: Jülicher Atommüll: Neue Gesellschaft soll zuständig werden vom 8. Juni 2015
  9. Bundesministerium der Finanzen: Bundesvermögen - Nachfolgeorganisationen der Treuhandanstalt abgerufen am 12. Juni 2015
  10. 10,0 10,1 taz.de: Weltmeister im AKW-Rückbau vom 2. Juni 2014
  11. FAZ.net: Es geht um unser Geld - Die Nebenkosten der Energiewende vom 26. Mai 2015
  12. EWN: Referenzliste abgerufen am 11. Juni 2015
  13. BMWi: Atom-U-Boot-Abrüstungsprojekt abgerufen am 11. Juni 2015
  14. NDR: EWN entsorgen Atom-U-Boote in Murmansk vom 27. Mai 2015
  15. Focus Online: Atomgefahr reduziert: U-Boot-Entsorgungsprojekt in Murmansk vor Ende vom 15. Dezember 2014
  16. heise.de: Nach dem AKW-Abbruch: Atom-Entsorger stellen sich neu auf vom 2. Januar 2014
  17. Deutscher Bundestag: Volkswirtschaftliche Kosten der Atomenergie (Drucksache 16/10077) vom 1. August 2008
  18. Deutscher Bundestag: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (Drucksache 17/11330) vom 12. November 2012
  19. bundeshaushalt-info.de: Finanzierung der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt 2012, 2013, 2014 und 2015 abgerufen am 12. Juni 2015
  20. Deutscher Bundestag: Vereinigungen der Atomlobby vom 5. März 2014
  21. FAZ.net: Das Wunder von Lubmin vom 10. Mai 2007
  22. NDR: EWN-Ausstieg: Aus für Gaskraftwerk in Lubmin vom 30. Juli 2014
  23. Focus Online: EWN ziehen sich komplett aus Gaskraftwerks-Projekt zurück vom 23. Dezember 2014
  24. pressebox.de: Energiesparend und umweltschonend: EWN nimmt neues Blockheizkraftwerk in Betrieb vom 12. Juni 2015
  25. NDR: Atommüllstreit: Land unterliegt vor Gericht vom 27. November 2014
  26. Focus Online: Innenministerium prüft Revision nach Atomurteil vom 27. November 2014
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