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Atommüll - Zwischen- und Endlagerung > Schacht Konrad

Atomrechtliches Genehmigungsverfahren

Schacht Konrad

Schacht Konrad

Der Schacht Konrad, ein ehemaliges Eisenerzbergwerk im niedersächsischen Salzgitter, ist von anderen potenziellen Endlagern insofern zu unterscheiden, als seine Eignung ein atomrechtliches Verfahren durchlief, welches vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde.

Der Schacht wurde von 1975 bis 1982 auf seine Eignung als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll geprüft, u. a. auch vom Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GSF). Nachdem die Eignung bestätigt wurde, wurde 1982 ein Antrag auf Einleitung eines Planfeststellverfahrens gestellt. Nach einer Frist für Einsichtnahme und Einwendungen (290.000 wurden eingereicht!) fand 1992 ein öffentlicher Erörterungstermin statt. 2002 erteilte das niedersächsische Umweltministerium einen Planfeststellungsbeschluss mit einer maximalen Einlagerungskapazität von 303.00 Kubikmeter Volumen. Es sollen alle Arten radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung eingelagert werden.[1]

Der Schacht Konrad wird seit 2007 für die Nutzung als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle umgebaut.[2] Die atomrechtliche Aufsicht besitzt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), für Errichtung und Betrieb des Endlagers ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zuständig.

Klagen, Beschwerden und Ausgleichszahlungen

2002 reichten drei Kommunen und zwei Bauern Klage ein, das Bundesverwaltungsgericht bestätigte jedoch 2007 den Planfeststellungsbeschluss.[3] Die Stadt Salzgitter legte daraufhin eine Verfassungsbeschwerde ein, welche aber durch das Bundesverfassungsgericht am 26. März 2008 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die Stadt laut Grundgesetz "nicht beschwerdefähig" sei.[4]

Im Mai 2011 einigte sich Salzgitter mit Niedersachsen und dem Bund auf die Einrichtung eines sogenannten "Schacht-Konrad-Fonds" in Höhe von 100 Mio. Euro. Kommunen, die schon gegen die Genehmigung geklagt hatten und Nachteile von der Errichtung des Endlager befürchteten, sollen damit entschädigt werden.[5]

Im Dezember 2011 forderte der Stadtrat von Salzgitter ein Moratorium für den Schacht Konrad, eine neue Standortsuche und eine rückholbare Endlagerung.[6]

Im Frühjahr 2013 wurden die ersten zwei Mio. Euro aus dem Fonds an Vereine und Einrichtungen im Raum Salzgitter ausgezahlt.[7]

Wassereinbruch

Am 17. Juni 2012 berichtete die "taz", dass in den Schacht Konrad täglich 16.300 Liter Wasser einlaufen, ungefähr 4.000 Liter mehr als in die Asse. Dies, obwohl das Bundesamtes für Strahlenschutz behauptet hatte, der Schacht sei trocken. Es sei zu befürchten, dass Konrad nach seiner Schließung ebenfalls "ersaufen" würde. Der damalige Betreiber BfS bestätigte zwar das Einströmen von Wasser, wies jedoch darauf hin: "Dies sei allerdings "seit Anbeginn" Gegenstand der Sicherheitsbetrachtungen und der Genehmigung gewesen. Das Wasser werde vor allem unter Tage zur Bewässerung von Wänden und Fahrbahnen verwendet, weil es im Bergwerk trocken sei." Konrad könne nicht mit Asse verglichen werden, weil es kein Salzbergwerk sei.[8]

Die Umweltorganisation Robin Wood zählte diverse Faktoren auf, die gegen eine Eignung des Schachts Konrad als Endlager sprechen, so z. B. die Standortauswahl: "Schacht KONRAD ist nicht auf Grund geologischer Kriterien als Endlagerstandort ausgewählt worden, sondern stand wegen Einstellung der Erzgewinnung zufällig zur Verfügung. Es hat keine vergleichende Prüfung mit Alternativstandorten stattgefunden."[9]

Kostenexplosion

Mit dem Bau des Endlagers war früher die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) beauftragt. Ursprünglich wurden die Kosten für den Schacht Konrad auf 900 Mio. Euro geschätzt, aber bereits ab Mai 2010 wurde von 1,6 Mrd. Euro ausgegangen. Es überrascht nicht, welchen Unternehmen der warme Geldregen zu Gute kommen sollte: "Die veru[r]sachenden Kernkraftbetreiber verdienen (...) gut am Endlagerbau, denn die DBE gehört zu 75 Prozent der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), deren Gesellschafter die Kernkraftwerksbetreiber E.ON (48 %), RWE (28 %), EnBW (18,5 %) und Vattenfall (5,5 %) sind. Wie bei anderen öffentlichen Bauten, bei denen Abhängigkeit von einem einzigen Unternehmen besteht, sind Kostensteigerungen also zu erwarten"[10]

Im März 2013 prognostizierte die DBE einen Mehraufwand bei der Sanierung, und die Kosten wurden mit 2,3 Mrd. Euro angegeben.[11] Im Dezember 2013 flog auf, dass mehrere Bergbaufirmen unerlaubte Absprachen getroffen und Millionenaufträge untereinander aufgeteilt hatten.[12] Nach einer Meldung der "taz" vom Mai 2014 lag die Kalkulation bei 3,1 Mrd. Euro.[13]

Im Juli 2023 wurden vom BGE für die Errichtung des Endlagers Kosten in Höhe von 4,6 Mrd. Euro geschätzt. 60 % trägt der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO), der aus den Finanzmitteln der Energieversorgungsunternehmen angelegt wurde. Rund 35 % werden aus Steuermitteln finanziert, und die restlichen etwa 5 % tragen private Abfallverursacher.[14]

Im November 2023 wurden die Kosten vom BGE auf nunmehr 5,5 Mrd. Euro geschätzt.[15]

Fertigstellungstermin mehrmals verschoben

Das Endlager sollte ursprünglich 2014 in Betrieb gehen, nach einem Artikel der "Süddeutschen Zeitung" vom 23. September 2010 wurde jedoch wegen Gerichtsverfahren, unterbrochener Planung und zusätzlicher Auflagen mit einer Verzögerung bis 2019 gerechnet, was das mit dem Bau beauftragte Unternehmen DBE bestritt.[16]

2014 gab die DBE als Jahr für den Beginn der Einlagerung 2022 an.[13] Am 8. September 2014 bestätigte Umweltministerin Hendricks diesen Termin.[17]

Die verspätete Fertigstellung (es wurde auch schon das Jahr 2024 genannt) hat Auswirkungen auf die Zwischenlager in Deutschland, deren Genehmigungen zum Teil früher auslaufen. Diese müssten deutlich länger als vorgesehen betrieben werden, auch deswegen, weil aus Platzgründen oder unerfüllter Kriterien nicht alle schwach- und mittelradioaktiven Abfälle im Schacht Konrad eingelagert werden können.[18]

Ralf Güldner, Präsident der Lobbyorganisation Deutsches Atomforum, warnte davor, dass sich der Rückbau deutscher Atomkraftwerke aufgrund der verspäteten Bereitstellung des Endlagers Konrad verzögern könnte. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wies dies als "nicht nachvollziehbar" zurück, da hier kein Zusammenhang bestehe.[19]

Im März 2017 teilt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit, dass der Schacht Konrad erst 2027 den Betrieb aufnehmen werde. Als Grund wurden frühere "Streitigkeiten zwischen der Baugesellschaft DBE und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)" genannt.[20]

Laut einer Meldung des BGE vom Juni 2023 wird sich die Fertigstellung des Endlagers weiter verzögern; man ist mit den Arbeiten zwei Jahre im Verzug.[21]

Neubewertung abgelehnt / Erweiterung des Endlagers?

Gegner des Schachtes Konrad forderten im April 2014 angesichts des Neustarts bei der Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll, auch das Konrad-Projekt nicht mehr als gesetzt anzusehen, da es Zweifel an der Machbarkeit und Sicherheit gebe. Das "Sicherheitskonzept für Schacht Konrad sei veraltet. Erste Planungen gingen "auf den Beginn der 1980er-Jahre" zurück. Zudem sei der Standort ohne Auswahlverfahren festgelegt worden. (...) Im Übrigen fehle die gesellschaftliche Akzeptanz für Konrad, da das Vorhaben ohne jede Bürgerbeteiligung durchgesetzt worden sei."[22]

Eine Neubewertung wird auch deswegen gefordert, weil Konrad keine ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stellen kann.[23] Lange Zeit ist mit ca. 298.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktivem Atommüll gerechnet worden, den man in Schacht Konrad auch hätte unterbringen können. Nach Informationen der Bundesregierung vom November 2014 wird sich der schwach- und mittelradioaktive Atommüll jedoch auf 600.000 Kubikmeter verdoppeln, weil 100.000 Kubikmeter aus der Urananreicherung und 200.000 Kubikmeter aus der Asse hinzukommen (falls letztere geräumt werden kann). Wohin damit, ist unklar. Möglicherweise wird deshalb der Schacht Konrad erweitert werden.[24]

Für eine Kapazitätserweiterung müsste jedoch ein neues Verfahren eröffnet werden, was die Inbetriebnahme weiter verzögern würde. Nach Ansicht der atomkritischen Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad würde der Schacht Konrad nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik nicht mehr als Endlager genehmigt werden.[25]

Die Stadt Salzgitter legte am 26. November 2014 Protest gegen die Erhöhung der Einlagerungsmenge für Atommüll ein. Es wurde auch gefordert, die Vorbereitungen für das Endlager zu stoppen.[26] Es hatte sich ein Protestbündnis formiert, und am 26. März 2015 protestierten mehr als tausend Menschen gegen die Erweiterungspläne.[27]

Am 30. März 2017 lehnte der Bundestag mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit jedoch eine Neubewertung des Schachtes Konrad ab.[28]

→ BGE: Endlager Konrad

Videobeitrag

  • Dokumentation des Bundesamtes für Strahlenschutz zum Schacht Konrad
    "Das Endlager Konrad in Salzgitter wird rund 90 Prozent der Abfallmenge in der Bundesrepublik aufnehmen. Doch dieses große Volumen enthält weniger als 0,1 Prozent der Radioaktivität, die für immer sicher entsorgt werden muss.

    Für 99,99 Prozent der Radioaktivität, nämlich für die hochaktiven Abfälle aus den Kernkraftwerken, gibt es noch kein Endlager in Deutschland." Quelle: YouTube
SCHACHT_KONRAD_INFO

SCHACHT KONRAD INFO

Bundesamt für Strahlenschutz vom 10. Januar 2014

(Letzte Änderung: 26.11.2023)

Einzelnachweise

  1. endlager-konrad.de: Bis zum genehmigten Endlager ein langer Weg vom 15. Mai 2008 (via WayBack)
  2. mdr.de: Wenzel fordert neue Atommüll-Debatte vom 28. Mai 2013 (via WayBack)
  3. NDR.de: Schacht Konrad: Ein Stollen als Atommüll-Endlager vom 23. September 2010 (via WayBack)
  4. salzgitter.de: Schacht Konrad: Stadt nicht beschwerdefähig vom 26. März 2008 (via WayBack)
  5. FAZ.net: Endlager für Atommüll im Schacht Konrad: Gemeinden bekommen Entschädigung vom 27. Mai 2011 (via WayBack)
  6. salzgitter.de: Konrad-Moratorium verabschiedet vom 15. Dezember 2011 (via WayBack)
  7. Tagesspiegel: Geld spielt keine Rolle vom 11. September 2013
  8. taz.de: Wasser in zukünftiger Atommülldeponie - Dem Konrad droht das Ersaufen vom 17. Juni 2012
  9. robinwood.de: Schacht Konrad/Hintergrund abgerufen am 5. April 2016 (via WayBack)
  10. heise.de: Betreiber verdienen kräftig mit - Endlager Konrad wird vorerst doppelt so teuer vom 12. Mai 2010
  11. taz.de: Atommüll-Endlager wohl erst 2021 - Verzögerungen in Schacht Konrad vom 30. März 2013
  12. Süddeutsche.de: Absprachen von Bergbaufirmen - Kartell der Unterwelt vom 20. Dezember 2013
  13. 13,0 13,1 taz.de: Immer teurer, immer später vom 2. Mai 2014
  14. BGE: Wann wird Konrad fertig? abgerufen am 6. Juli 2023
  15. n-tv.de: Hunderte Millionen Euro mehr - Atommüllendlager Schacht Konrad verursacht Kostenexplosion vom 23. November 2023
  16. Süddeutsche.de: Atommüll-Endlager wird nicht rechtzeitig fertig vom 23. September 2010
  17. Spiegel Online: Atomendlager: Schacht Konrad soll 2022 in Betrieb gehen vom 8. September 2014
  18. taz.de: Schacht Konrad kommt später vom 19. Juni 2013
  19. Focus Online: Reaktor-Abriss - Ohne Endlager kein Akw-Rückbau vom 30. August 2013
  20. FAZ.net: „Schacht Konrad“: Atom-Endlager wird fünf Jahre später fertig vom 8. März 2018
  21. BGE: Fertigstellung des Endlagers Konrad verzögert sich - BGE vom 13. Juni 2023
  22. weserkurier.de: Ausweitung der Atommülldebatte auf Schacht Konrad gefordert - Endlager neu bewerten vom 1. April 2004
  23. taz.de: Entsorgung radioaktiver Abfälle - Konrad könnte kippen vom 8. Mai 2014
  24. Süddeutsche.de: Bundesregierung rechnet mit doppelt so viel Atommüll vom 18. November 2014
  25. weser-kurier.de: Endlager deutlich teurer vom 18. Juni 2013
  26. salzgittter.de: Atommüll: Protest gegen die Bundesregierung vom 26. November 2014 (via WayBack)
  27. weser-kurier.de: Breite Proteste gegen Pläne für Atommülllager vom 30. April 2015
  28. Deutscher Bundestag: Bundestag ändert Atom­gesetz und lehnt Antrag zu „Schacht Konrad“ ab vom 30. März 2017
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