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Atomenergie in Europa > Frankreich > Flamanville (Frankreich)

2 Druckwasserreaktoren • Leistung: 2 x 1.382 MW • Typ: 2 x P4 REP 1300 • Hersteller: Framatome •
Baubeginn: 1979/1980 • Inbetriebnahme: 1985/1986 •[1][2] Abschaltung: offen


Atomkraftwerk am Ärmelkanal

Flamanville 2010-07-15

AKW Flamanville (Frankreich)

Flamanville ist vor allem wegen der im Bau befindlichen dritten Einheit, eines Europäischen Druckwasserreaktors, in die Schlagzeilen geraten, dessen ursprünglich geplante Kosten sich mehr als vervierfachen werden und dessen Fertigstellung sich immer weiter verzögert (siehe dazu: weiter unten).

Der Standort Flamanville befindet sich an der Westküste der Halbinsel Cotentin am Ärmelkanal im nordwestlichen Frankreich, nahe der Stadt Cherbourg.[3]

Derzeit erzeugen in Flamanville zwei Druckwasserreaktoren mit einer Leistung von je 1.382 MW Strom, die 1985 bis 1986 in Betrieb gegangen sind (Flamanville -1 und -2). Ein dritter Reaktor von Typ EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) mit 1.650 MW, Flamanville-3, befindet sich seit 2007 im Bau. Eigentümer und Betreiber der Anlage ist die französische Gesellschaft Électricité de France (EDF).[1] Hersteller war Framatome (heute AREVA).[2]

Störfälle

Ende 1997 bestand einer der aktiven Reaktoren den Drucktest der inneren Containmenthülle nicht, da sich seit der Inbetriebnahme die Leckrate fast verdoppelt hatte. Mit einer aufwändigen Kunstharzauskleidung konnten die Techniker das Problem nur teilweise in den Griff bekommen.[4]

Am 21. Januar 2001 versagte in Flamanville-2 ein leittechnisches System wegen eines Fehlers bei Wartungsarbeiten. Eine Kette von Unregelmäßigkeiten und die Beschädigung verschiedener Systeme schlossen sich an. Der Zwischenfall wurde als Störfall der INES-Stufe 2 klassifiziert.[5]

Im November 2009 wurde ein Arbeiter verstrahlt, ein weiterer erlitt wegen eines Sturzes schwere Verletzungen. Wegen eines Wasserstoffverlustes an einem Stromgenerator erfolgte im gleichen Monat außerdem eine Schnellabschaltung.[6]

2012 häuften sich die Störfälle in Flamanville. Am 24. Oktober trat sechs Stunden lang radioaktiver Dampf aus dem Hauptkühlmittelkreislauf aus, zwei weitere Dampfaustritte folgten im November und Dezember des gleichen Jahres.[7][8]

Am 9. Februar 2017 ereignete sich in einer Maschinenhalle im nichtatomaren Bereich des AKW eine Explosion, aufgrund derer fünf Menschen leicht verletzt wurden. Laut Angabe der EDF konnte ein ausgebrochenes Feuer schnell gelöscht werden, und Radioaktivität sei nicht freigesetzt worden.[9]

Milliardengrab Flamanville-3

Flamanville-3 2010-07-15

Flamanville-3 (2010)

Die Entscheidung, einen ersten Reaktor vom Typ EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) zu bauen, der von AREVA und Siemens gemeinsam entwickelt worden war, wurde bereits 2005 in einem Gesetz fixiert. Zehn Jahre später wollte man entscheiden, ob man 40 EPR bauen werde.[10]

Urspünglich waren in Flamanville zwei EPR geplant, die 2011 und nach 2012 in Betrieb gehen sollten.[2] Der Zeitpunkt der Fertigstellung von Flamanville-3 ist immer wieder verschoben worden und weiterhin offen. Dem Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) werden zudem massive Baumängel bescheinigt. Deswegen erfolgte am 27. Mai 2008 laut Greenpeace ein Baustopp: "So gab es Risse im Beton-Fundament, und ein Viertel der Schweißnähte im Reaktor-Sockel wiesen gravierende Fehler auf."[11] Die französische Atomaufsicht ASN bestätigte 2011, dass es eine ganze Reihe von Baumängeln gebe, die die Sicherheit beeinträchtigen können.[12]

Im Dezember 2012 wurde bekanntgegeben, dass sich die Baukosten von 3 auf 8,5 Mrd. Euro fast verdreifachen und die Inbetriebnahme bis 2016 verzögern würden.[13] Aufgrund der Kostenexplosion stieg der italienische Energiekonzern Enel aus, und die Zweifel an der Rentabilität der Atomenergie nahmen in der französischen Öffentlichkeit zu.[14]

Im Juli 2013 wurde die Metallkuppel über dem Reaktor gesetzt, und am 26. April 2014 wurde das Gießen der ersten von zwei darüber liegenden Betonkuppeln abgeschlossen.[15]

Inbetriebnahme 2024?

Im November 2014 räumte die EDF ein, dass sich die Inbetriebnahme um ein weiteres Jahr bis 2017 verzögern werde.[16]

Im April 2015 wurden Stahlanomalien am Reaktordruckbehälter von Flamanville-3 festgestellt. Die Zusammensetzung des Stahls in Teilen des Behälterdeckels und des Bodens scheint fehlerhaft zu sein. Die französische Regierung forderte Untersuchungen, Atomkraftgegner ein Verbot der Inbetriebnahme.[17] Die Fabrikationsmängel wurden zeitweise als irreparabel angesehen. Sie könnten weitere Verzögerungen oder sogar das Ende des EPR-Programms von AREVA mit sich bringen.[18]

Im September 2015 wurde die Schätzung der Baukosten auf 10,5 Mrd. Euro angehoben, und der voraussichtliche Termin für die Inbetriebnahme auf das vierte Quartal 2018 verschoben.[19]

Im Juli 2017 gab die EDF eine neue Verschiebung des Zeitplans bekannt: Flamanville-3 sollte nun im Mai 2019 ans Netz gehen und im November 2019 die volle Leistung von 1.630 MW erreichen.[20]

Im Juli 2018 wurde angekündigt, dass der erste Brennstoff erst im vierten Quartal 2019 eingesetzt werden solle, ein Jahr später als gedacht. Der Grund: "Qualitätsabweichungen bei einigen Schweißnähten an Rohrleitungen des sekundären Kühlkreislaufes".[21]

Im Juni 2019 wurde berichtet, dass EDF notwendige Reparaturen an fehlerhaften Schweißnähten erst Ende 2022 durchführen will; die Inbetriebnahme dürfte sich deshalb noch einmal um mehrere Jahre verzögern. Die Baukosten waren mittlerweile auf 11 Mrd. Euro explodiert.[22] Im Oktober 2019 wurde eine neue Schätzung bekanntgegeben: 12,4 Mrd. Euro.[23]

Im Januar 2022 gab EDF eine weitere Verschiebung des Termins für die Inbetriebnahme auf das zweite Quartal 2023 bekannt. Die Kosten wurden nun auf 12,7 Mrd. Euro geschätzt.[24]

Im Dezember 2023 wurden die Kosten auf 13,2 Mrd. Euro geschätzt; im ersten Quartal 2024 soll der Reaktor mit Brennelementen bestückt werden.[25]

(Letzte Änderung: 25.02.2024)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/France abgerufen am 5. November 2021
  2. 2,0 2,1 2,2 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
  3. WNA: Flamanville 1, France abgerufen am 5. November 2021
  4. DER SPIEGEL 40/1998: Störfall in Strang A vom 27. September 1998
  5. nuklearforum.ch: Zwischenfall der Ines-Stufe 2 in Flamanville vom 31. Januar 2001
  6. derStandard: Dritter Zwischenfall im AKW Flamanville vom 13. November 2009
  7. n24.de: Neue Panne in französischem Atomkraftwerk vom 1. Dezember 2012 (via WayBack)
  8. L´essentiell: Radioaktivität in Flamanville ausgetreten vom 25. Oktober 2012
  9. Zeit Online: Explosion in nordfranzösischem AKW vom 9. Februar 2017
  10. WNA: Nuclear Power in France abgerufen am 5. November 2021
  11. Greenpeace Österreich: Bau des AKW Flamanville gestoppt vom 28. Mai 2008 (via WayBack)
  12. Süddeutsche.de: Löchriger Superreaktor vom 2. September 2011
  13. Focus Online: EPR-Reaktor in Flamanville kostet noch mal 2 Milliarden Euro mehr vom 3. Dezember 2012 (via WayBack)
  14. Zeit Online: Die Franzosen zweifeln an der Atomkraft vom 6. Dezember 2012
  15. nuklearforum.ch: Frankreich: Baufortschritt in Flamanville-3 vom 14. Mai 2014
  16. nzz.ch: Neuartige französische EPR-Anlage wird später ans Netz gehen vom 19. November 2014
  17. Industriemagazin: Stahl-Anomalie bei Atom-Reaktorbehälter in Frankreich vom 8. April 2015
  18. taz.de: Sicherheitsprobleme in Atomanlagen - Peinlicher Baufehler am Reaktor vom 21. April 2015
  19. world nuclear news: Flamanville EPR timetable and costs revised vom 3. September 2015
  20. world nuclear news: EDF confirms Flamanville EPR start-up schedule vom 12. Juli 2017
  21. nuklearforum.ch: Verspätete Inbetriebnahme von Flamanville-3 bestätigt vom 27. Juli 2018
  22. Nau.ch: Inbetriebnahme von französischem Atomreaktor Flamanville verzögert sich weiter vom 20. Juni 2019
  23. wallstreet:online: EDF erwartet erneut höhere Baukosten für AKW Flamanville vom 9. Oktober 2019
  24. nuklearforum.ch: Flamanville-3: weiterer Verzug vom 14. Januar 2022
  25. Energie & Management: Kernkraftwerk Flamanville 3 wird teurer vom 27. Dezember 2023
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