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Reaktoren außer Betrieb > Mülheim-Kärlich (Rheinland-Pfalz)

Druckwasserreaktor • Leistung: 1.302 MW • Typ: PWR • Hersteller: BBC/BBR •
Baubeginn: 15. Januar 1975 • Inbetriebnahme: 1. März 1986 • Abschaltung: 9. September 1988 •[1][2]
Beginn Rückbau: 2004 • Ende Rückbau: 2025


Eineinhalb Jahre am Netz

Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich 2012

AKW Mülheim-Kärlich

Das AKW Mülheim-Kärlich (KMK) befindet sich nördlich der Stadt Koblenz im Bundesland Rheinland-Pfalz.[3]

Der Druckwasserreaktor mit 1.302 MW Leistung wurde nach 11 Jahren Bauzeit am 1. März 1986 in Betrieb genommen, ging aber schon eineinhalb Jahre später, am 9. September 1988, für immer vom Netz.[1] Eigentümer und Betreiber ist RWE.[3] Hersteller waren BBC/BBR.[2]

Rechtswidrige Genehmigung und Beugehaft für Kläger

Am 22. Dezember 1972 hatte RWE Bau und Betrieb der Anlage beantragt. Am 9. Januar 1975 wurde eine erste Teilgenehmigung erteilt, und im gleichen Jahr begannen die Bauarbeiten.[4]

RWE errichtete das Atomkraftwerk in einem nachweislich stark erdbebengefährdetem Gebiet neben einem Vulkanschlot, im Neuwieder Becken. Privatpersonen und Organisationen, die zehn Jahre gegen das AKW geklagt hatten und vor Gericht verloren, bekamen die ganze Härte der Gerichte zu spüren, welche den Forderungen der Anwälte der Atomlobby folgten. Die Richter verurteilten die Kläger, zum Teil Rentner und Studenten, nicht nur zur Zahlung der Gerichts-, sondern auch eines Teils der Anwaltskosten von RWE. Manchen Klägern entstanden Kosten bis ans Lebensende, andere gingen in Beugehaft.[5]

Das AKW wurde zwar im März 1986 in Betrieb genommen, kurz vor der Tschernobyl-Katastrophe, aber der Triumph von RWE währte nicht lange. Aufgrund einer unterirdischen Verwerfungslinie direkt unter der Anlage musste das Reaktorgebäude versetzt werden, was aber in der Teilgenehmigung nicht berücksichtigt worden war. Die Bürgerinitiative für Umwelt- und Naturschutz (Vorgängerorganisation des BUND) reichte Klage ein und hatte Erfolg.[6]

Der bis dahin mit sieben Mrd. Deutsche Mark teuerste Reaktor musste nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Berlin im September 1988 vom Netz genommen werden, da das Genehmigungsverfahren als fehlerhaft beurteilt wurde. Der "Spiegel" schrieb: "Mit laschen Sicherheitsauflagen hat die Mainzer Landesregierung unter dem früheren Ministerpräsidenten Helmut Kohl dem Energiekonzern RWE den Bau des Atomreaktors Mülheim-Kärlich ermöglicht. Beamte ließen sich willfährig für das Milliarden-Projekt einspannen und mißachteten das Atomgesetz."[7]

→ AtomkraftwerkePlag: Atompolitik - Helmut Kohl: Tricksen und Vertuschen

Am 14. Juni 2000 vereinbarten Bundesregierung und Reaktorbetreiber das endgültige Ende für die Anlage.[4]

RWE klagte gegen die Landesbehörden auf Schadenersatz und bekam Recht. Rheinland-Pfalz wurde zu 1,75 Mrd. Deutsche Mark verurteilt, allerdings verzichtete RWE im Rahmen des rot-grünen Atomkonsenses später auf die Auszahlung.[5]

Rückbau seit 2004

Aufgrund der kurzen Betriebszeit und des langen Stillstands ist die Kontamination der Gebäude und kernnahen Anlagenteile geringer als bei anderen Reaktoren.[8]

Im Sommer 2002 wurden die letzten Brennelemente aus der Anlage entfernt.[3]

2004 wurde mit dem Rückbau begonnen, der Schätzungen zufolge 750 Mio. € kosten soll. Klagen des Betreibers RWE gegen die Stilllegung wurden zurückgewiesen, und RWE zog seine Schadenersatzforderungen zurück.[9]

Den 30 Jahre alten, 450 Tonnen schweren Generator und die meisten anderen Anlagen des Maschinenhauses kaufte 2009 ein ägyptischer Energieversorger. Die Anlagen wurden über den Rhein ins Nildelta transportiert und sollen in einem Gaskraftwerk Strom erzeugen.[10][11]

Die Masse des AKW lag bei ursprünglich 500.000 Tonnen, wovon 300.000 Tonnen zum nuklearen Bereich gehörten. 6.000 Tonnen sind kontaminiert, wovon 1.700 nicht gereinigt werden können und endgelagert werden müssen.[6]

Anfang Juni 2013 genehmigte das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium die Einleitung einer neuen Rückbauphase, in der stärker kontaminierte Anlagenteile wie Hauptkühlpumpen und Kühlleitungen rückgebaut werden.[12] Im Juni 2014 wurde mit dem Abbau stark radioaktiv belasteter Anlagenteile begonnen, wie dem Primärkreislauf und dem Reaktordruckbehälter.[13] Hatte RWE noch im September 2012 ein Ende des Rückbaus für 2021 angekündigt[14], wurde 2014 das Jahr 2025 genannt.[15]

AKW_Mülheim-Kärlich_Kühlturm_kontrolliert_zum_Einsturz_gebracht-0

AKW Mülheim-Kärlich Kühlturm kontrolliert zum Einsturz gebracht-0

Quelle: Youtube vom 9. August 2019

Am 8. Oktober 2015 erteilte das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium RWE die Genehmigung zum Rückbau der radioaktiv am höchsten belasteten Anlagenteile von Mülheim-Kärlich.[16]

Am 9. August 2019 wurde der Kühlturm zum Einsturz gebracht (vgl. Video rechts).

Im Mai 20223 war der Rückbau zu drei Viertel abgeschlossen; mit Hilfe spezieller Roboter wurde der Reaktordruckbehälter abgebaut.[17]

→ RWE: Anlage Mülheim-Kärlich (Informationen des Betreibers)

Fernsehbeitrag

  • Ausverkauf im Kernkraftwerk
    "Nur 18 Monate war der Meiler in Betrieb. Dann wurde er abgeschaltet: Das Erdbebenrisiko am Rhein erwies sich als zu groß. Viele Anlagenteile sind heute noch wie neu. 2009 dann die Sensation: Ein ägyptischer Energieversorger kauft fast das komplette Innenleben des Maschinenhauses. Besonders der über 30 Jahre alte, 450 Tonnen schwere Generator hat es den Ägyptern angetan -- eine Art Dynamo des Kraftwerks. So gewaltig wie drei Jumbojets. 1300 Megawattstunden Strom kann er produzieren. In drei Jahren soll der Koloss dies im nördlichen Nildelta wieder tun -- dann in einem Gaskraftwerk."[18]
Ausverkauf_im_Kernkraftwerk_Doku_deutsch

Ausverkauf im Kernkraftwerk Doku deutsch

phoenix, Exclusiv im Ersten vom 30. Juli 2013

(Letzte Änderung: 07.02.2024)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/Germany abgerufen am 25. Januar 2022
  2. 2,0 2,1 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
  3. 3,0 3,1 3,2 RWE: Anlage Mülheim-Kärlich abgerufen am 25. Januar 2022
  4. 4,0 4,1 mahnmalkoblenz.de: „Das ‚verrückte’ Kernkraftwerk am Rhein“ - Das AKW Mülheim-Kärlich im Spiegel der Rechtsprechung und der Presse abgerufen am 25. Januar 2022
  5. 5,0 5,1 Sascha Adamek: Die Atomlüge. Heyne, München 2011, S. 47ff.
  6. 6,0 6,1 Handelsblatt: Endzeitstimmung im Atomkraftwerk vom 5. September 2013
  7. DER SPIEGEL 12/1989: Eine Menge getrickst vom 19. März 1989
  8. ptka.kit.edu: Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Anlagen - Erfahrungen und Perspektiven vom November 2009
  9. wort.lu: Atomkraftwerk wird in Einzelteile zerlegt vom 10. September 2011
  10. Rhein-Zeitung: Fernsehreportage zeigt Rückbau des AKW vom 7. September 2012 (via WayBack)
  11. ARD: Ausverkauf im Kernkraftwerk - Die Abwracker von Mülheim-Kärlich vom 30. Juli 2013
  12. Landeszeitung Rheinland-Pfalz: Weiterer Schritt im langwierigen Abriss des AKW Mülheim-Kärlich vom 6. Juni 2013 (via WayBack)
  13. t-online.de: Nächste Stufe beim Akw-Rückbau steht an: Lemke in Mülheim-Kärlich vom 16. Juni 2014 (via WayBack)
  14. Focus Online: Abbau von Akw Mülheim-Kärlich kann bis mindestens 2021 dauern vom 19. November 2013
  15. Focus Online: Lemke: Abbau des AKW Mülheim-Kärlich könnte 2025 beendet sein vom 16. Juni 2014
  16. rlp.de: Wichtiger Tag für den Ausstieg vom 8. Oktober 2015
  17. SWR: AKW Mülheim-Kärlich: Rückbau im radioaktiven Bereich vom 15. Mai 2023
  18. phoenix.de: Ausverkauf im Kernkraftwerk - Die Abwracker von Mülheim-Kärlich vom 30. Juli 2013 (via WayBack)
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