AtomkraftwerkePlag Wiki
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Anmerkung:

Hier soll nicht der Versuch unternommen werden, zu klären, inwieweit CO2 zur Klimaerwärmung/Klimaänderung beiträgt. Es soll dokumentiert werden, ob und - wenn ja - wie die Thematisierung der CO2-Emissionen dazu beiträgt, die Atomkraft wieder salonfähig zu machen.

Einführung: Klimaschutzabkommen von 2015

Am 12. Dezember 2015 beschlossen auf der Klimakonferenz in Paris die Staaten der Erde das sogenannte Klimaschutzabkommen. Es sieht vor, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Am 4. November 2016 trat das Abkommen in Kraft.[1][2]

Zur Entwicklung bis dahin siehe → BMU: Etappen des Klimaverhandlungsprozesses - Ergebnisse der UN-Klimakonferenzen ab 1995

Position der Atomlobby

Bei den wichtigen Atomlobbyorganisationen nimmt das Argument, dass die Atomkraft "kohlenstoffarm" sei, einen wichtigen Platz ein.

Laut der → Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)  hat die Atomenergie das Potenzial, zur Reduzierung der Treibhausgase beizutragen; sie habe in den vergangen Jahrzehnten eine signifikante Vermeidung von CO2-Emissionen bewirkt. Hierbei beruft sich die IAEO auf den Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC), der 1988 – zwei Jahre nach der Tschernobyl Katastrophe – gegründet wurde und in seinen Sachstandsberichten ähnliche Positionen vertritt.[3]

Die → World Nuclear Association (WNA) sieht die Atomkraft als "kohlenstoffarme" Energieform an und kritisiert, dass diese nicht als wichtiger Bestandteil des Kampfes gegen den Klimawandel genannt werde.[4] Die WNA gibt auch ein Positionspapier von "Nuclear for Climate" vom November 2018 wieder, einem Statement von 160 Atomorganisation weltweit, die fordern, dass Atomenergie Teil der Klimadebatte sein müsse. Auch hier beruft man sich auf den IPCC (Weltklimarat).[5]

Europäische Kommission

Um den Klimaschutz zu fördern, schlug die Europäische Kommission 2018 den Bau von hundert neuen Reaktoren bis 2050 vor. In einer aktuellen Studie widerspricht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung: Atomkraft war noch nie rentabel. Zudem sei der Uranabbau CO2-intensiv und zerstöre Landschaft; Zwischenlager sind umweltschädigend, und Endlager gebe es bislang nicht.[6]

Politik

Im Juni 2019 plädierte die Werteunion der CDU, den Atomausstieg in Deutschland zu verschieben und stattdessen den Kohleausstieg vorzuziehen. Auf diese Weise könnten der CO2-Ausstieg verringert und die Klimaziele noch erreicht werden. Entsprechend äußerte sich der Leiter der Werteunion, Alexander Mitsch. Mitsch nannte den Atomausstieg einen "kostspieligen ökologischen und ökonomischen Fehler".[7] Auch die Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrats, Astrid Hamker, kritisierte den Atomausstieg und nannte als Vorbild Frankreich, das durch sein Festhalten an der Atomkraft die Klimaziele leichter erreiche.[8] Ähnlich äußerte sich der Energieexperte der CDU, Klaus-Peter Willsch.[9]

Wolfgang Clement, ehemals Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Superminister unter Gerhard Schröder, und Atomlobbyist seit jeher, sprach sich in "Welt Online" ebenfalls dafür aus. die Atomkraftwerke "aus Gründen des Klimaschutzes und aus ökonomischer Sicht" länger laufen zu lassen.[10] Siehe dazu auch → AtomkraftwerkePlag: Clement, Wolfgang

Aus der Wirtschaft

Im Juni 2019 setzte sich VW-Chef Herbert Diess dafür ein, dass Deutschland im Interesse des Klimaschutzes zuerst aus der Kohle aussteigen solle, und stattdessen die AKW länger laufen sollte. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Industriegase-Konzerns Linde, Wolfgang Reitzle, forderte, "den Beschluss zum Atomausstieg zu korrigieren, damit die Kernenergie weiter Bestandteil der deutschen Energiepolitik bleibe, weil nur sie grundlastfähig, billig und CO2-frei sei." Andere DAX-Chefs teilten diese Meinung nicht.[11]

Im Februar 2019 berichtete die "Süddeutsche Zeitung", dass diverse Organisationen wie "Environmentals Progress" oder die "Ökomodernisten" eine Renaissance der Atomkraft mit der Begründung anstreben, dass diese keine CO2-Emissionen verursache und unerlässlich sei, um die Erderwärmung zu bremsen. Bill Gates, einer der prominenten Fürsprecher, versuchte Abgeordnete des US-Kongresses von den Vorzügen dieser Technik zu überzeugen. Bestehende Anlagen sollten erhalten und neue gebaut werden. Gates ist Inhaber der Firma TerraPower, die an neuartigen Reaktoren wie dem Laufwellenreaktor forscht, der mit abgebrannten Brennstäben oder abgereichertem Uran betrieben werden soll. Über die Grundlagenforschung hinaus ist man damit aber seit den 1950er Jahren nicht hinausgekommen. Zudem wird dagegengehalten, dass Atomkraft zu teuer sei und laut  Internationaler Energieagentur (IEA) nur 5 % bei der Begrenzung der Erderwärmung beitragen könne.[12]

Der Ökonom und bekannte Atomlobbyist Hans-Werner Sinn, ehemaliger Chef des Ifo-Instituts, nennt die Atomenergie als Option, die Klimaziele doch noch zu erreichen.[13] Siehe auch → AtomkraftwerkePlag: Sinn, Hans-Werner

Der Vorstandsvorsitzende der Bilfinger SE, Tom Blades äußerte sich im August 2019 wie folgt: "Ich glaube, dass im globalen Maßstab der Klimaschutz ohne Atomkraft nicht funktionieren wird." Es ist zu ergänzen, dass Bilfinger Dienstleistungen für die Atomindustrie erbringt.[14]

Deutscher Bundestag und Ministerien

In zwei Publikationen des Umweltministeriums zum Klimaschutz aus de Jahren 1997 und 1998 wird die Atomkraft nicht angesprochen.[15][16]

In einem Bericht der Arbeitsgruppe "CO2-Reduktion" aus dem Jahr 2000 steht zwar: "Der Ausstieg aus der Atomenergie stellt auch die Klimaschutzpolitik vor eine neue Herausforderung." Der Atomausstieg wird allerdings nicht in Zweifel gezogen. Der Ausbau von Atomkraftwerken stelle wegen ihres hohen Risikos und radioaktiver Abfälle keine Alternative dar.[17]

In einer Umfrage aus dem Jahr 2000 im Auftrag des Bundesumweltamtes zum Umweltbewusstsein der Bevölkerung, in der es auch um den Klimawandel ging, wurde die Atomkraft von 85 % der Befragten als "gefährlich" und "riskante Technologie" angesehen.[18]

In der Analyse "Anforderungen an die zukünftige Energieversorgung" des Bundesumweltamtes von 2003 wird die Atomenergie nur im Zusammenhang mit dem Ausstiegsgesetz angesprochen.[19]

In der Ausarbeitung "CO2-Bilanzen verschiedener Energieträger im Vergleich" des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom April 2007 wird zwar bestätigt, dass bei der Energieproduktion selbst kein Kohlendioxid freigesetzt wird. In den vorgelagerten Prozessketten trifft das nicht zu. Bei der Gewinnung des Uranerzes, der Konversion, dem Bau von AKWs sowie die Entsorgung wird CO2 freigegeben; insbesondere die Zementherstellung für Beton bei AKWs oder Lagerstätten ist als besonders CO2-intensiv bekannt. Insgesamt ist der CO2-Ausstoß bei der Atomkraft wie auch bei Erneuerbaren deutlich niedriger als bei Kohle und Gas.[20] In der "Klimaagenda 2020" des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2007 wird resümiert, dass die Atomenergie wegen ihres geringen Primärenergieverbrauchs kaum von der Diskussion um den Klimawandel betroffen ist.[21]

In der "Nationalen Klimapolitik" des BMU von 2017 und der Seite "Treibhausgase" des österreichischen Umweltbundesamts wird die Atomkraft nicht erwähnt.[22][23]

Gleiches gilt für eine Anhörung von Experten und Stellungnahme von Parteien im Deutschen Bundestag vom 15. Mai 2019.[24]

Weitere Quellen

2009:

In einem Artikel aus dem Jahr 2009 machte der "Focus" darauf aufmerksam, dass die damalige Behauptung der Atomindustrie, Atomkraft sei CO2-frei, falsch ist. Zwar werde bei der Energieproduktion selbst kein Kohlendioxid freigesetzt, in den vor- und nachgelagerten Prozessen aber sehr wohl. So werde bei der Aufbereitung des Urans in minderwertigen Erzen CO2 frei, beim Bau von Atomkraftwerken sowie der Produktion von Baustoffen.[25]

2011:

In einem Meinungsartikel wurde in der "Welt" 2011, im Jahr der Fukushima-Katastrophe, die Idee des menschengemachten Klimawandels als "geniale Propaganda" bezeichnet, die u.a. Politikern dazu diene, eine Besteuerung der Atemluft zu begründen. Außerdem zitierte die Welt den britischen Wissenschaftsjournalisten Nigel Calder, die CO2-Theorie werde vor allem von der Atomindustrie propagiert, die sich eine Renaissance der Atomkraft erhoffe.[26]

2014-2017

In drei Publikationen aus den Jahren 2012, 2014 und 2017 zum Klimawandel wird die Atomkraft nicht thematisiert.[27][28][29]

2018:

2018 berichtete die "Deutsche Welle" über die Iniative "Nuclear for Climate", zu der sich Atomkraftverbände aus 38 Ländern 2015 zusammengeschlossen haben. Die Initiative propagiert die Atomkraft als Lösung für den Klimawandel. Die IAEO projeziert einen massiven Neubau von Atomkraftwerken; damit soll erreicht werden, dass die Klimaerwärmung 2 Grad nicht übersteigt. In der Folge werden in dem Deutsche-Welle-Artikel die Nachteile der Atomkraft dokumentiert.[30]

2019:

Diskussionen löste im März 2019 ein Post der 16jährigen schwedischen Klima-Aktivistin Greta Thunberg, der Ikone der Schülerbewegung "Fridays for Future", mit der Bemerkung aus, dass der IPCC die Atomkraft als Option zum Klimaschutz ansehe. Die Aktivistin erklärte später, dass sie persönlich die Atomenergie ablehne. "Fridays for Future" organisiert Schülerstreiks während der Unterrichtszeit.[31]

Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, eine Autorin des IPCC-Berichts von 2018, wies darauf hin, dass die Begrenzung der Erderwärmung bei einem schnellen Atomausstieg höhere Kosten verursachen würde. Ein Ausstieg sei aber dennoch möglich, und man wolle "keine Empfehlung" geben.[32] In "Zeit Online" wurde bestritten, dass der IPCC einen Ausbau der Atomkraft gefordert habe. Sie habe lediglich in 85 Szenarien darauf hingewiesen, dass die Erderwärmung gebremst werden könne, und in den meisten Szenarien sei der Ausbau der Atomenergie ein wichtiger Bestandteil. Der Zeit-Redakteur verteidigt den IPCC mit dem Argument, diese Ideen kämen ja von Wissenschaftlern, und nicht vom IPCC.[33]

Dem ist grundsätzlich zu widersprechen: Liest man die fünf IÜCC-Sachstandsberichte seit 1992 und den Sonderbericht genauer, findet man jede Menge Empfehlungen für den Einsatz der Atomkraft. Der zwei Jahre nach Tschernobyl gegründete IPCC ist insofern als Atomlobbyorganisation einzuordnen. →  Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC)

Dass Atomkraftwerke einen Beitrag zur Erreichung des 2-Grad-Ziels beitragen können, erklärt der deutsche "Klima-Experte" Ottmar Edenhofer. Edenhofer bezeichnet diese laut "Frankfurter Rundschau" als emissionsfrei.[34]

Das "Handelsblatt" weist darauf hin, dass im ersten Halbjahr 2019 die Erneuerbaren mit 41,9 % zum ersten Mal mehr Energie erzeugten als Kohle und Atomkraft zusammen.[35] In einem Meinungsartikel in t-online vom Juni 2019 wird bestritten, dass die Atomkraft eine Option zur Lösung des Klimawandels sei.[36]

(Letzte Änderung: 14.09.2019)

Einzelnachweise

  1. ec.europa.eu: Pariser Übereinkommen abgerufen am 8. Septmber 2019
  2. BMU: Die Klimakonferenz in Parisvon abgerufen am 8. Septmber 2019
  3. IAEO: CLIMATE CHANGE AND NUCLEAR POWER 2018 vom September 2018
  4. WNA: Nuclear energy must be included on the path to a low-carbon world vom 10. September 2018
  5. WNA: Nuclear for Climate abergerufen am 22. Juli 2019
  6. Südkurier: Noch nie rentabel – wie die Atomkraft Milliarden verschlingt vom 9. August 2019
  7. werteunion.net: Laufzeit von Kernkraftwerken verlängern - Kohleausstieg vorziehen vom 4. Juni 2019
  8. merkur.de: „Kostspieliger Fehler“? CDU-Politiker wollen Atomkraftwerke länger laufen lassen vom 4. Juni 2019
  9. bild.de: Kommt Atomstrom zurück, um das Klima zu retten? vom 5. Juni 2019
  10. Welt Online: Energiewende im Alleingang hat Deutschland ins Hintertreffen gebracht vom 3. August 2019
  11. nzz.ch: Deutsche Konzerne sind gegen längere Laufzeiten der Atomkraftwerke vom 22. Juni 2019
  12. Süddeutsche.de: Kernkraft fürs Klima?  vom 4. Februar 2019
  13. handelsblatt.de: Wir brauchen eine ernsthafte, tabufreie Klimapolitik vom 4. Juli 2019
  14. Welt Online: Bilfinger soll Probleme in französischem Reaktor lösen vom 11. August 2019
  15. BMU: Vierter Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe "CO2-Reduktion" vom Kabinett beschlossen vom 6. November 1997
  16. BMU: Mit dem Entwurf eines umweltpolitischen Schwerpunktprogrammes neue Etappe in der Umweltpolitik eingeleitet vom 28. April 1998
  17. Deutscher Bundestag: Nationales Klimaschutzprogramm Fünfter Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe „CO2-Reduktion“ (Drucksache 14/4729, S. 12ff, 164) vom 14. November 2000
  18. umweltbundesamt.de: Umweltbewusstsein in Deutschland 2000 vom Juni 2000
  19. umweltbundesamt.de: Anforderungen an die zukünftige Energieversorgung vom August 2003
  20. bundestag.de: CO2-Bilanzen verschiedener Energieträger im Vergleich vom April 2007
  21. bmu.de: Klimaagenda 2020: Der Umbau der Industriegesellschaft vom April 2007
  22. bmu.de: Nationale Klimapolitik vom 29. September 2017
  23. umweltbundesamt.at: Treibhausgase abgerufen am 28. Juli 2019
  24. Deutscher Bundestag: Experten bewerten Aus­stieg aus der Kohle­verstro­mung kontrovers vom 15. Mai 2019
  25. Focus Online: Atomkraft - Die CO2-Lüge von 2009
  26. Welt Online: Die CO2-Theorie ist nur geniale Propaganda vom 4. Juli 2011
  27. n-tv.de: Neues von der CO2-Lüge vom 12. Februar 2012
  28. Focus Online: So leugnen Skeptiker den Klimawandel vom 23. September 2014
  29. Zeit Online: Mit Fakten gegen jeden Zweifel vom 12. Mai 2017
  30. Deutsche Welle: Klimaschutz: Atomkraft, ja bitte? vom 18. Mai 2018
  31. Tagesspiegel: Streit um Klimaschutz - Thunberg löst emotionale Debatte über Atomenergie aus vom 22. März 2019
  32. Tagesspiegel: Die Gretafrage - Braucht Klimaschutz die Kernkraft? vom 2. April 2019
  33. Zeit Online: Schont Atomstrom die Erdatmosphäre? vom 27. März 2019
  34. FR Online: Bericht des IPCC - Klimawandel: 2100 droht uns der Klimakollaps vom 19. Juli 2019
  35. Handelsblatt: Erneuerbare Energien produzieren erstmals mehr Strom als Kohle- und Atomkraftwerke vom 14. Juli 2019
  36. t-online.de: Atomkraft – vielleicht doch besser? vom 26. Juni 2019
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