AtomkraftwerkePlag Wiki
Advertisement

[1] Als die rot-grüne Koalition an die Macht kam und umgehend den ersten Atomausstieg einleitete, hatten die Energiekonzerne zwar einen Kompromiss ausgehandelt (Energiekonsens). In der Bundestagswahl 2009 sahen sie aber die Möglichkeit, diesen rückgängig zu machen und mit einer erhofften neuen schwarz-gelben Koalition zusammen eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke durchzusetzen.[3]

Einen ersten Anlauf zu einer Kampagne wollte die Atomlobby bereits 2008 mit einem Budget von 60 Mio. Euro und kurzen Werbespots für Atomenergie im Fernsehen nehmen. Da aber herauskam, wie leichtfertig im Hanauer "Atomdorf" (NUKEM, ALKEM, RBU, HOBEG) mit radioaktiven Stoffen umgegangen worden war, bekam man Zweifel, und die Kampagne wurde kurzfristig abgesagt.[4]

Strategiepapier der Unternehmensberatung PRGSBearbeiten

Am 23. September 2009 veröffentlichte der "Spiegel" einen Artikel, in dem beschrieben wird, wie minutiös die Atomlobby ihre Kampagne für die Bundestagswahl im September 2009 vorbereitete. Die Quelle ist ein Strategiepapier der Unternehmensberatung PRGS.

"Der Titel: "Kommunikationskonzept Kernenergie - Strategie, Argumente und Maßnahmen." Als Datum ist der 19. November 2008 angegeben. Zum damaligen Zeitpunkt war PRGS für den größten deutschen Energiekonzern E.on tätig. Auf dem Deckblatt des Strategiepapiers heißt es, der Schriftsatz sei "für die E.on Kernkraft GmbH" erstellt worden.
Die Aufgabenstellung wird gleich zu Beginn klar benannt: "Das Gesamtziel der vorgelegten Strategie ist es, die politisch-öffentliche Debatte um die Verlängerung der Restlaufzeiten deutscher Kernkraftwerke positiv zu beeinflussen.""

Nach dem Strategiepapier sollte sich E.ON ein umweltfreundliches Image zulegen, die Atomkraft sollte Argumente wie "Versorgungssicherheit" und "Klimaschutz" nutzen, sowie die Gefahr der Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen. E.ON distanzierte sich von diesem Strategiepapier.[5] Es ist gut möglich, dass dieses Strategiepapier aber als Argumentationshilfe benutzt wurde, denn die genannten Argumente finden wir alle bei den Atomkraftbefürwortern wieder. → Die Lobbyisten

Öffentlichkeitsarbeit durch die Lobbyagentur Deekeling Arndt AdvisorsBearbeiten

Die "taz" recherchierte im Oktober 2011, dass das Deutsche Atomforum, die wichtigste Lobbyorganisation der vier großen Energiekonzerne, bereits vorher professionelle Unterstützung bei einer PR-Agentur eingeholt hatte.

"Im Frühjahr 2008 erhielt die Lobbyagentur Deekeling Arndt Advisors den Auftrag, bis zur Bundestagswahl im Herbst 2009 einen Meinungsumschwung für die Atomkraft in Deutschland zu erreichen. (…) Die Grundzüge der Strategie sind dabei laut den Papieren: "Ideologische Blockaden aufbrechen, vermeintliche Gewissheiten hinterfragen", "Dritten eine Plattform bieten und öffentlich Gehör verschaffen", "neue Zielgruppen aufschließen", "verändertes Meinungsklima zur Kernenergie in Deutschland etablieren".[6]

Die strategische Vorgehensweise wurde wie folgt geplant[7]:

  • Eine "neue Geschichte" mit einem positiven Image der Atomkraft sollte erzählt werden.
  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Atomkraftwerken sollten in bereits fertig ausgearbeiteten Anzeigenbeilagen vorgestellt werden bzw. Störfälle kommunizieren.
  • Ein Verein "Woman in Nuclear" wurde gegründet, dem Mitarbeiterinnen der Atombranche beitreten sollten (vgl. dazu auch weiter unten).
  • Die Atombefürworter sollten in einen offenen Dialog treten. Tatsächlich organisierte das Deutsche Atomforum 2009 Diskussionsforen und eröffnete eine Diskussionsplattform im Internet.
  • Hochrangige Wissenschaftler sollten gewonnen werden, wie z. B. der Historiker Arnulf Baring. Baring hielt einen Gastvortrag zum 50. Jubiläum des Atomforums, das Teile seiner Rede schrieb, und warb in einem ganzseitigen Beitrag einer Zeitung für Atomenergie.[8]
  • Ehemalige Politiker sowie Lobbyisten und Vertreter der Energiekonzerne sollten Kontakte knüpfen.
  • Journalisten wurden zu Frühstücksessen und Reisen in die atomfreundliche Schweiz eingeladen, die danach in Zeitungen positive Berichte platzieren sollten.

Einen Link zur den Originaldokumenten der Agentur finden Sie hier: blogs.taz.de: Die Geheimpapiere der Atomlobby vom 28. Oktober 2011.

Nach einem Artikel der "Frankfurter Rundschau" erhielt die Agentur für ihre Leistungen ca. 3 Mio. Euro."In Gesprächen mit Parlamentariern, in "kontinuierlichen Hintergrundgesprächen mit Journalisten" sowie mit einer Vielzahl von Anzeigenkampagnen, Vorträgen, Tagungen und der Präsentation neuer Unterstützer wie etwa "konvertierter 68er" wolle man zunächst "öffentlich Zweifel an vermeintlichen Gewissheiten säen", dann den "Nutzen der Kernenergie öffentlich inszenieren" und den "Boden bereiten" für die Zeit nach der Wahl (…)".[9]

Im Rahmen der Kampagne sollte auch der Ökonom Professor Joachim Schwalbach eine Pro-Atom-Studie verfassen, die jedoch an internen Streitigkeiten scheiterte. → Studien und Stiftungsprofessuren

Zielgruppe FrauenBearbeiten

Schon im März 2009 wies die "taz" auf die neue Strategie des Deutschen Atomforums hin, insbesondere Frauen, deren kritische Einstellung zur Atomenergie der Lobby bekannt war, als Zielgruppe mit Hilfe der Öffentlichkeitsarbeit zu beeinflussen.[10] Dazu wurde in Deutschland ein atomkraftfreundliches Netzwerk mit dem Namen "Women in Nuclear Germany" (WiN) gegründet. Frauen, die in der Atombranche arbeiten oder mit ihr in Verbindung stehen, sollten andere Frauen mit Hilfe "emotionaler Intelligenz" für die Atomkraft begeistern. In diesem Zusammenhang wurden Artikel in verschiedenen Medien lanciert.

→ AtomkraftwerkePlag: Women in Nuclear (WiN)

Beeinflussung über die TagespresseBearbeiten

Laut "Spiegel Online" wurden atomfreundliche Artikel in der Tagespresse platziert. "Konkret führen die PR-Profis einen Artikel in der "Bild"-Zeitung vom 8. Juli 2009 unter der Überschrift "Die 7 Wahrheiten über unsere Energie" auf - hier sei eine Veröffentlichung der atomkraftfreundlichen Thesen erreicht worden. Tatsächlich illustrierte die "Bild"-Zeitung den Artikel mit einem abgeänderten Anti-Atomkraft-Logo, auf dem statt "Atomkraft, nein danke!" der Schriftzug "Der Irrsinn mit dem Atomausstieg" die lachende Sonne umrandete. Gleich daneben durfte RWE-Chef Jürgen Großmann in einem Interview die Sicherheit der deutschen Atommeiler beteuern."

Auch in der "FAZ" und der "FAS" sollen Artikel platziert worden sein.[11]

Advertisement